Wohnungseigentümerversammlung: Fehlende Kompetenz zur Beschlussfassung zu Hausgeldrückständen
BGH, Beschluss vom 13.02.2020 - V
ZR 29/15 -
Kurze Inhaltsangabe:
Die Wohnungseigentümergemeinschaft forderte von den Beklagten € 4.900,19 an Hausgeldrückständen, die sich aus den Einzelabrechnungen 2008 bis 2011 und dem Wirtschaftsplan 2012 zusammensetzen. Das
Amtsgericht gab der Klage statt; das Landgericht hat (im Berufungsverfahren) den Betrag auf € 3.450,20 reduziert. Die Beklagten legten (die zugelassene) Revision ein. Während des
Revisionsverfahrens erklärten die Parteien übereinstimmend die Hauptsache für erledigt. Der BGH entscheid mit Beschluss gem. § 91a ZPO über die Kosten.
Der BGH hielt die Klage zum maßgeblichen Zeitpunkt der Erledigungserklärung teilweise als begründet, im Übrigen als offen, weshalb insoweit bei streitiger Durchführung eine Zurückverweisung
erfolgt wäre.
Zum Einen setzte sich der BGH mit Kosten in den Abrechnungen auseinander, inwieweit diese berücksichtigt werden durften. Im Übrigen aber sei der Ausgang des Rechtstreits offen, da entgegen der
vom Berufungsgericht vertretenen Ansicht die Hausgeldrückstände der einzelnen Wohnungseigentümer, die jeweils in den aus den Jahresabrechnungen abgeleiteten Einzelabrechnungen aufgeführt seien,
von der Bestandskraft der Jahresabrechnung nicht erfasst würden. Das aber würde bedeuten, dass im Streitfall auch bei einer rechtskräftig gewordenen Jahresabrechnung der Umfang der Rückstände des
einzelnen Eigentümers gesondert festzustellen sei. Die Wohnungseigentümer hätten nicht die Kompetenz, entstandene aber nicht erfüllte Zahlungsverpflichtungen des Eigentümers erneut (etwa in der
Jahresabrechnung) zu beschließen. Dieser Teil des Beschlusses, mit dem letztlich der Anspruch auf die rückständige Zahlung neu begründet werden sollte, sei nichtig. Anspruchsbegründend könne nur
der Teil des Beschlusses über die Jahresabrechnung wirken, der sich auf den Betrag bezieht, welcher die in dem Wirtschaftsplan für das abgelaufene Jahr beschlossenen Vorschüsse übersteige
(Abrechnungsspitzen). Die in früheren Beschlüssen festgestellten Zahlungsverpflichtungen blieben unberührt, was auch für die in dem Wirtschaftsplan des abzurechnenden Jahres beschlossenen
Vorschüsse (§ 28 Abs. 2 WEG) gelte. Damit könne nach einem Beschluss über die Jahresabrechnung nur die konkrete Abrechnungsspitze nach Eintritt der Bestandskraft der Jahresabrechnung
nicht mehr in Frage gestellt werden. Da damit aber nicht die Jahresabrechnung benannten Rückstände auf Hausgeld zur Abrechnungsspitze gehören würden, sondern Gegenstand einer Forderung aus
einem beschlossenen Wirtschaftsplan seien, würde im Hinblick auf die Rückstände keine bestandkräftige Feststellung vorliegen. Dies sei vorliegend vom Berufungsgericht nicht berücksichtigt
und geprüft worden.
Aus den Gründen:
Tenor
Von den Kosten des
übereinstimmend für in der Hauptsache erledigt erklärten Rechtsstreits tragen
1. die Kosten der ersten Instanz
die Klägerin zu 52 % und die Beklagten als Gesamtschuldner zu 48 %,
2. die Kosten des
Berufungsverfahrens die Klägerin zu 45 % und die Beklagten als Gesamtschuldner zu 55 % und
3. die Kosten des
Revisionsverfahrens die Klägerin zu 37 % und die Beklagten als Gesamtschuldner zu 63 %.
Der Gegenstandswert des
Revisionsverfahrens beträgt 2.922,55 €.
Gründe
I.
Die Beklagten sind Mitglieder
der klagenden Wohnungseigentümergemeinschaft. Diese hat von ihnen Zahlung von 4.900,19 € an Hausgeldrückständen aus den bestandskräftigen Einzelabrechnungen für die Jahre 2008 bis 2011 und dem
bestandskräftigen Wirtschaftsplan 2012 nebst Zinsen verlangt. Das Amtsgericht hat der Klage in vollem Umfang stattgegeben. Das Landgericht hat die Verurteilung der Beklagten auf einen Betrag von
3.450,19 € nebst Zinsen reduziert. Die Beklagten haben die von dem Berufungsgericht zugelassene Revision eingelegt. Später haben die Parteien den Rechtsstreit übereinstimmend für in der
Hauptsache erledigt erklärt und wechselseitige Kostenanträge gestellt.
II.
1. Über die Kosten des in der
Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärten Rechtsstreits ist gemäß § 91a Abs. 1 Satz 1 ZPO unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach
billigem Ermessen durch Beschluss zu entscheiden. Danach sind die Kosten wie erkannt zu verteilen.
a) Nach dem bisherigen Sach- und
Streitstand war die Klage bei der übereinstimmenden Erledigungserklärung teilweise begründet, teilweise war ihr Erfolg offen, weil die Revision insoweit zu einer Zurückverweisung an das
Berufungsgericht geführt hätte.
aa) Entgegen der Ansicht der
Beklagten sind in den Abrechnungen zu Recht auch die Kosten für angeschaffte, aber noch nicht verbrauchte Brennstoffe berücksichtigt worden. Solche Kosten sind nach der Rechtsprechung des Senats
mangels einer entsprechenden Regelung in der Heizkostenverordnung zunächst nach dem allgemeinen, in § 16 Abs. 2 WEG bestimmten oder einem sonst vereinbarten
Kostenverteilungsschlüssel zu verteilen (Senat, Urteil vom 17. Februar 2012 - V ZR 251/10, GuT 2012, 261 Rn. 17). Die Klage war deshalb auch in Höhe eines weiteren für diese Kosten
anzusetzenden Betrages von 766,56 € begründet.
bb) Hinsichtlich der im
Revisionsverfahren danach ursprünglich noch streitgegenständlichen Hausgeldrückstände von 2.155,99 € waren die Kosten zu teilen. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts werden die
Hausgeld-rückstände der einzelnen Wohnungseigentümer, die in den aus der Jahresabrechnung abgeleiteten Einzelabrechnungen aufgeführt sind, von der Bestandskraft der Jahresabrechnung nicht
erfasst. Im Streitfall ist deshalb auch bei einer bestandskräftig gewordenen Jahresabrechnung der Umfang der Rückstände festzustellen. Das ist hier unterblieben. Mangels entsprechender Aufklärung
sind die auf diesen Teil der Forderung entfallenden Kosten hälftig zu teilen. Im Einzelnen:
(1) Nach der Rechtsprechung des
Senats haben die Wohnungseigentümer nicht die Kompetenz, bereits entstandene, indes noch nicht erfüllte Zahlungsverpflichtungen eines Wohnungseigentümers etwa in der Jahresabrechnung erneut zu
beschließen und zu begründen. Folge der fehlenden Kompetenz der Wohnungseigentümer ist aber nur die Nichtigkeit des Beschlussteils, mit dem die Ansprüche auf Zahlung rückständiger Beiträge neu
begründet werden sollten (Senat, Urteil vom 9. März 2012 - V ZR 147/11, ZfIR 2012, 365 Rn. 8 u. 13 a.E.). Das haben die Vorinstanzen gesehen und deshalb die in den
Abrechnungen jeweils angeführten Rückstände aus den Vorjahren unberücksichtigt gelassen.
(2) Der Beschluss über die
Jahresabrechnung wirkt anspruchsbegründend nur hinsichtlich des auf den einzelnen Wohnungseigentümer entfallenden Betrages, welcher die in dem Wirtschaftsplan für das abgelaufene Jahr
beschlossenen Vorschüsse übersteigt (sog. Abrechnungsspitze). Zahlungsverpflichtungen, die durch frühere Beschlüsse entstanden sind, bleiben hierdurch unberührt. Dies gilt insbesondere für die in
dem Wirtschaftsplan des abzurechnenden Jahres beschlossenen und damit nach § 28 Abs. 2 WEG geschuldeten Vorschüsse (Senat, Urteil vom 1. Juni 2012 - V ZR
171/11, ZfIR 2012, 635 Rn. 20 mwN). In Bestandskraft erwächst deshalb auch nur die Abrechnungsspitze. Nur deren Berechnung kann nach Eintritt der Bestandskraft nicht mehr infrage
gestellt werden (Senat, Urteil vom 2. Dezember 2011 - V ZR 113/11, ZWE 2012, 90 a.E. [= Rn. 12]). In der Jahresabrechnung aufgeführte Rückstände auf das Hausgeld gehören dagegen
nicht zur Abrechnungsspitze. Sie beruhen vielmehr auf dem vorher beschlossenen Wirtschaftsplan. Infolgedessen erwächst ihre Berechnung auch nicht in Bestandskraft. Das hat das Oberlandesgericht
München entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts zutreffend erkannt (NJW-RR 2013, 264, 265).
cc) Der Betrag von 550 € für
Baumfällarbeiten, in dessen Höhe die Parteien den Rechtsstreit im Berufungsverfahren für erledigt erklärt haben, war für die Kosten des Berufungsverfahrens entsprechend der zweitinstanzlichen
Kostenentscheidung zu Lasten der Klägerin zu berücksichtigen.
b) Der für die Verteilung der
Kosten maßgebliche Teilerfolg der Klage fällt in den einzelnen Instanzen unterschiedlich aus, weil sich der Streitgegenstand in den Instanzen verändert hat. Er gestaltet sich im Einzelnen wie
folgt:
Verfahren erster Instanz:
eingeklagt 4.900,19 €
begründet
Heizölkosten
766,56 €
akzeptierte Kosten
527,64 €
½ Hausgeldrest
1.078,00 € =
2.372,20 €
Erfolg
= 48 %
Berufungsverfahren:
eingeklagt (4.900,19 € - 527,64 € =)
4.372,55 €
begründet
Heizölkosten
766,56 €
½ Hausgeldrest
1.078,00 €
Baumfällarbeiten
550,00 € =
2.394,56 €
Erfolg
= 55 %
Revisionsverfahren:
eingeklagt (3.450,19 € - 527,64 € =)
2.922,55 €
begründet
Heizölkosten
766,56 €
½ Hausgeldrest
1.078,00 € =
1.844,56 €
Erfolg
= 63 %
Das führt zu der ausgesprochenen
instanzenweise unterschiedlichen Verteilung der Kosten.
2. Der Gegenstandswert des
Revisionsverfahrens entspricht dem noch streitigen Teil der durch das Berufungsurteil neugefassten Zahlungsverurteilung der Beklagten. Von dem Zahlungsbetrag in Höhe von 3.450,19 € ist deshalb
der Betrag von 527,64 € abzuziehen (von den Beklagten bereits in zweiter Instanz „akzeptierte Kosten“). Das führt zu einem Gegenstandswert für das Revisionsverfahren von 2.922,55 €.