Rückschnittanspruch überhängender Äste und Selbsthilferecht, §§ 1004, 910 BGB

Der Nachbar kann den Rückschnitt des Überhangs eines Baumes bei Beeinträchtigung seines Grundstücks verlangen, § 1004 Abs. 1 S. 1 BGB. Ob eine Beeinträchtigung der Grundstücksnutzung vorliegt ist nach objektiven Kriterien zu beurteilen, deren Nichtvorliegen von demjenigen darzulegen und zu beweisen sind, auf dessen Grundstück der Baum steht.

 

Kann der Nachbar die Beseitigung des Baumes nach dem Nachbarrecht des Landes wegen Zeitablaufs nicht mehr verlangen (hier: § 47 Abs. 1 NachbG NRW) und steht die Störung im Vergleich zu den Wirkungen des Rückschnitts des Überhanges außer Verhältnis, ist die Beseitigung unzumutbar. Dies ist z.B. dann der Fall, wenn die verlangte Maßnahme die Gefahr des Absterbens des Baumes bewirkt oder zu einer erhöhten Risikolage führt. Das Verlangen läuft dann auf eine verbotene Beseitigung des Baumes hinaus.

 

Anmerkung: Der BGH hat in seinem Urteil vom 11.06.2021 - V ZR 234/19 - zum Selbsthilferecht nach § 910 BGB bei Überhang von Ästen und Überwuchs von Wurzeln ausgeführt, dass das Selbsthilferecht nach § 910 Abs. 1 BGB nicht deshalb ausgeschlossen ist,  da durch die Beseitigung des Überhangs das Absterben des Baumes oder der Verlust seiner Standfestigkeit droht, es sei denn, naturschutzrechtliche Beschränkungen stünden dem entgegen . „Eine Verhältnismäßigkeits- oder Zumutbarkeitsprüfung, mit der der Ausschluss des Selbsthilferechts teilweise begründet wird (…), ist gesetzlich nicht vorgesehen und widerspräche den Vorstellungen des Gesetzgebers.“ Auch landesrechtliche Ausschlussfristen zur Beseitigung von Bäumen sind nicht beachtlich.

 

 

LG Köln, Urteil vom 02.03.2023 - 6 S 27/20 -

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