Öffentliches Baurecht


Reicht das Eigentum im Plangebiet für eine Klagebefugnis gegen einen Bebauungsplan ?

BVerwG, Beschluss vom 31.01.2018 - 4 BN 17.17 -

Kurze Inhaltsangabe:

 

Die Antragstellerin zu 1. (AS 1) wandte sich gegen die Entscheidung des Hess.VGH mit der Begründung, dieser habe ihren Vortrag nicht zur Kenntnis genommen, dass der von ihr betriebene Gewerbemarkt sich jedenfalls deshalb im Plangebiet befände, da eine mit einem Geh- und Fahrrecht belastete Teilfläche des Grundstücks als  Zu- und Ausfahrt zur H. Straße integrierter Bestandteil des im Sondergebiert 1 von ihr betriebenen Marktes sei. Diesen gerügten verstoß gegen das Gebot des rechtlichen Gehörs sah das BVerwG nicht. Es verwies darauf, dass die Antragstellerin ausdrücklich auf die (vom Hess.VGH hier negierte) Antragsbefugnis eines Eigentümers abgestellt habe, dessen Grundstück außerhalb des Plangebiets läge und insoweit auch auf einen Beschluss des BVerwG verwiesen habe. Damit scheide eine Verletzung rechtlichen Gehörs zu Lasten der AS 1 aus.

 

Allerdings sei die zulässige Beschwerde der Antragstellerin zu 2. (AS 2) begründet. Die Revision von ihr sei wegen Divergenz zuzulassen.

 

Das BVerwG verwies darauf, dass die Antragsbefugnis nach § 47 Abs. 2 S. 1 VwGO wegen einer möglichen Eigentumsverletzung grundsätzlich zu bejahen sei, wenn sich ein Eigentümer eines im Plangebiet gelegenen Grundstücks gegen eine bauplanerische Festsetzung wende, die unmittelbar sein Grundstück betreffe. Er könne in diesem Fall die Festsetzung gerichtlich überprüfen lassen, da eine planerische Festsetzung Inhalt und Schranken des Grundeigentums bestimmen würden, Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG. Eine auch nur potentielle Rechtswidrigkeit eines solchen Eingriffs brauche der betroffene Eigentümer nicht ungeprüft hinnehmen. Sei er damit aber befugt, eine gerichtliche Überprüfung zu betreiben, käme es auch nicht darauf an, ob die Betroffenheit mehr als geringfügig sei, sein Interesse schutzwürdig wäre oder für die Gemeinde erkennbar sei. Ausreichend sei die Eigenbetroffenheit.

 

 

Davon sei der Hess.VGH in seinem Normenkontrollunterteil zu Lasten der AS 2 abgewichen. Er habe fehlerhaft die Antragsbefugnis der AS 2 negiert, da aufgrund eines Vergleichs der Festsetzungen des Ursprungs- und des angefochtenen Änderungsbebauungsplanes nicht ersichtlich sei, dass die AS 2 durch die mit der Änderungsplanung einhergehende geringfügige Erweiterung der baulichen Nutzungsmöglichkeit ihres Grundstücks in ihren Rechten verletzt sein könnte. Ebenso habe der Hess.VGH (fehlerhaft) die Erweiterung des Geh- und Fahrrechts zugunsten der neu im Plangebiet einbezogenen Grundstücke mit der Begründung verneint, es sei lediglich eine bestehende Belastung (Geh- und Fahrrechte) zugunsten der neu im Plangebiet einbezogenen Grundstücke „fortgeschrieben“ worden.

 

Aus den Gründen:

 

Gründe

 

1. Die ausschließlich auf § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO gestützte Beschwerde der Antragstellerin zu 1 bleibt ohne Erfolg. Der Verwaltungsgerichtshof hat ihr Recht auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 i.V.m. § 138 Nr. 3 VwGO) nicht verletzt.

 

Ein Verstoß gegen das Gebot, rechtliches Gehör zu gewähren, liegt u.a. dann vor, wenn das Gericht seiner Verpflichtung, die für die Entscheidung erheblichen Ausführungen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen, nicht nachkommt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 17. November 1992 - 1 BvR 168/89 u.a. - BVerfGE 87, 363 <392>; BVerwG, Urteile vom 29. November 1985 - 9 C 49.85 - Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 177 und vom 20. November 1995 - 4 C 10.95 - Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 267 S. 22 f.; Beschluss vom 15. November 2017 - 4 B 13.17 - juris Rn. 7; jeweils m.w.N.). Davon kann hier nicht ausgegangen werden.

Die Antragstellerin zu 1 rügt, der Verwaltungsgerichtshof habe ihren Vortrag im Schriftsatz vom 17. September 2015 (Bl. 37 ff. d. GA) nicht zur Kenntnis genommen, wonach sich der von ihr gemietete und betriebene ...-Markt jedenfalls deshalb im Plangebiet befinde, weil die mit einem Geh- und Fahrrecht zu belastende Teilfläche des Grundstücks Flurstück Nr. .../... (Privatstraße) als Zu- und Ausfahrt zur H. Straße integrierter Bestandteil des im Sondergebiet 1 von ihr betriebenen Marktes sei. Der Vorwurf ist unbegründet, denn dem von ihr genannten Schriftsatz lässt sich eine solche Behauptung nicht entnehmen. Dort wird zwar einleitend im Rahmen der Beschreibung der örtlichen Situation davon gesprochen, dass das Grundstück B.straße ..., das aus den Grundstücken Flurstück Nr. .../..., .../..., .../... und .../... - ... bestehe, teilweise im räumlichen Geltungsbereich des angefochtenen Bebauungsplans liege. Im Rahmen der Erörterungen zur Antragsbefugnis stellt die Antragstellerin zu 1 aber in der Sache auf die Antragsbefugnis eines Eigentümers ab, dessen Grundstück außerhalb des Plangebiets liegt (vgl. Bl. 41 f. d. GA), was durch den Hinweis auf den Beschluss des Senats vom 6. Dezember 2000 - 4 BN 59.00 - (Buchholz 310 § 47 VwGO Nr. 144) verdeutlicht wird. In diesem Sinne hat auch die Antragsgegnerin die Ausführungen verstanden (vgl. Schriftsatz vom 3. Dezember 2015 S. 3, Bl. 70 d. GA). Für den Verwaltungsgerichtshof bestand daher keine Veranlassung, zur Frage Stellung zu nehmen, ob der von der Antragstellerin zu 1 betriebene Markt deshalb (teilweise) im Plangebiet liegt, weil diesem auch die im Plangebiet befindliche private Erschließungsstraße zuzurechnen ist.

 

2. Die zulässige Beschwerde der Antragstellerin zu 2 ist begründet. Die Revision ist gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO wegen Divergenz zuzulassen.

Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist die Antragsbefugnis nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO wegen einer möglichen Eigentumsverletzung grundsätzlich zu bejahen, wenn sich ein Eigentümer eines im Plangebiet gelegenen Grundstücks gegen eine bauplanerische Festsetzung wendet, die unmittelbar sein Grundstück betrifft (BVerwG, Urteil vom 10. März 1998 - 4 CN 6.97 - Buchholz 310 § 47 VwGO Nr. 123). In diesem Fall kann der Eigentümer die Festsetzung gerichtlich überprüfen lassen, weil eine planerische Festsetzung Inhalt und Schranken seines Grundeigentums bestimmt (Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG); die (potenzielle) Rechtswidrigkeit eines derartigen normativen Eingriffs braucht der Antragsteller nicht ungeprüft hinzunehmen. Wird folglich eine von § 14 Abs. 1 GG geschützte Rechtsposition durch die Festsetzungen eines Bebauungsplans unmittelbar betroffen, dann kommt es für die Antragsbefugnis nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO nicht darauf an, dass diese Betroffenheit mehr als geringfügig, schutzwürdig oder für die Gemeinde erkennbar ist. Es genügt die Eigentumsbetroffenheit als solche (BVerwG, Beschluss vom 25. September 2013 - 4 BN 15.13 - BauR 2014, 90). Die Frage des Vorliegens einer Rechtsverletzung und damit der Antragsbefugnis kann in einem solchen Fall auch nicht auf der Grundlage eines Vergleichs der bisherigen mit der durch den Bebauungsplan geschaffenen Rechtslage verneint werden (BVerwG, Urteil vom 10. März 1998 a.a.O.).

 

Von dieser Rechtsprechung ist der Verwaltungsgerichtshof in dem angefochtenen Normenkontrollurteil entscheidungserheblich abgewichen. Er hat die Antragsbefugnis der eigentumsbetroffenen Antragstellerin zu 2 u.a. deshalb verneint, weil aufgrund eines Vergleichs der Festsetzungen des Ursprungs- und des angefochtenen Änderungsbebauungsplans nicht ersichtlich sei, dass die Antragstellerin zu 2 durch die mit der streitgegenständlichen Änderungsplanung einhergehende geringfügige Erweiterung der baulichen Nutzungsmöglichkeiten ihres Grundstücks in ihren Rechten verletzt sein könne (UA S. 11). Eine Eigentumsbetroffenheit der Antragstellerin zu 2 hat er auch im Hinblick auf die Erweiterung des Geh- und Fahrrechts zugunsten der neu in das Plangebiet einbezogenen Grundstücke verneint, weil eine bestehende Belastung (Geh- und Fahrrecht) zugunsten der in den Bebauungsplan neu aufgenommenen Grundstücke nur "fortgeschrieben" worden sei (UA S. 10).

 

3. Die Kostenentscheidung für die Beschwerde der Antragstellerin zu 1 ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts folgt insofern aus § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3, § 52 Abs. 1 GKG.

 

Die vorläufige Streitwertfestsetzung für das Revisionsverfahren der Antragstellerin zu 2 beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1, § 52 Abs. 1 und § 63 Abs. 1 Satz 1 GKG.