Einkommensteuer - Rückstellungen


Passivierung von Schadensersatzansprüchen ist nicht stets zulässig

FG Baden-Württemberg, Urteil vom 19.03.2015, 13 K 540/13 -

Kurze Inhaltsangabe

Im Rahmen der Bilanzierung muss der Steuerpflichtige prüfen, ob und inwieweit er Rückstellungen bilden muss. Die Rückstellungen mindern den Jahresgewinn und damit notwendig die Steuerlast. Von daher achtet verständlicherweise die Finanzverwaltung darauf, dass nicht willkürlich Rückstellungen gebildet werden. Allerdings ist auch der Kaufmann verpflichtet, für ungewisse Verbindlichkeiten Rückstellungen zu bilden, § 249 Abs. 1 HGB. Diese Verpflichtung gilt für obligatorische (nicht für wahlweise) Rückstellungsbildungen. Zwingend ist die Rückstellungsbildung für ungewisse Verbindlichkeiten, drohende Verluste aus schwebenden Geschäften und unterlassene Instandhaltung bzw. Abraumbeseitigung (Ballwieser, MüKo-HGB, § 249 Rdz 6).


Nach Auffassung des FG Baden-Württemberg kann/darf allerdings für einen (auch anwaltlich angedrohter) Schadensersatzanspruch eines Dritten nicht  ohne weiteres eine Rückstellung gebildet werden. Entscheidend ist, ob der Steuerpflichtige nach den objektiv gegebenen und subjektiv erkennbaren Verhältnissen ernsthaft mit einer Inanspruchnahme zu rechnen hat. Die theoretische Möglichkeit der Inanspruchnahme ist hier nicht ausreichend. Es müssten mehr Gründe für als gegen eine Inanspruchnahme sprechen. Das fängt nach Auffassung des FG bereits damit an, ob der Schadensersatzanspruch als solcher überhaupt zivilrechtlich als möglich angesehen wird. Darüber hinaus kann eine ernsthafte Durchsetzung auch nicht deshalb angenommen werden, da ein Anwalt eingeschaltet wurde (wobei vorliegend eine englische Ltd. Ansprüche für sich generierte, die sie über einen englischen Anwalt geltend machte). 


Aus der Entscheidung:

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Streitig ist der Ansatz einer Rückstellung für eine Schadensersatzverpflichtung.

Der Kläger ist Diplom-Kaufmann und erzielt Einkünfte als selbständiger EDV-Berater. Der Kläger hatte sich im Streitjahr 2009 -nach mehrjähriger Tätigkeit bei einem großen Software-Unternehmen- selbständig gemacht. Ende Oktober 2009 bewarb sich der Kläger über eine sog. Projektstellenbörse im Internet bei der B Ltd. in Y/Großbritannien (B Ltd..) für die Durchführung eines EDV-Projekts.  Am 3. November 2009 erfuhr der Kläger in einem Telefonat mit der B Ltd.., dass der Hauptauftraggeber die Stadtwerke X seien. Am 2. November hatte sich der Kläger bereits bei einer weiteren Consulting-Agentur, der Fa. D Ltd. in Y/Großbritannien (D Ltd. ebenfalls für ein Projekt beworben. Bei dieser Bewerbung hatte der Kläger den Namen des (Haupt-)Auftraggebers zunächst nicht erfahren; es wurde ihm nur mitgeteilt, dass der Auftraggeber aus dem Energiebereich in Süddeutschland stamme. Von der B Ltd.. erhielt der Kläger zunächst keine weitere Nachricht.  Die D Ltd. teilte dem Kläger am 17. November 2009 mit, dass ihr Auftraggeber (aus dem Energiebereich in Süddeutschland) die Stadtwerke X seien. Am 18. November 2009 führten die Stadtwerke X mit dem Kläger ein sog. Interview durch, wobei das Interview durch die D Ltd. vereinbart wurde. Das Interview verlief für den Kläger positiv und die Stadtwerke X teilten dem Kläger mit, dass sie mit ihm zusammenarbeiten wollten. Der Kläger gab daraufhin am 19. November 2009 gegenüber der D Ltd. ein Vertragsangebot ab, das von der D Ltd. am 30. November 2009 angenommen wurde. Zwischenzeitlich hatte sich indes am 23. November 2009 auch die B Ltd.. bei dem Kläger gemeldet und den Vertrag mit den Stadtwerken X für sich reklamiert. Die B Ltd.. wies darauf hin, dass sie den Kläger viel früher als die D Ltd. darüber informiert habe, dass die Stadtwerke X ihr Auftraggeber seien.

Der Kläger hatte nun Zweifel über sein weiteres Vorgehen und er ließ sich durch einen Rechtsanwalt und Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht beraten (s. E-Mail-Nachrichten des Klägers bzw. des Rechtsanwaltes C vom 3. und 4. Dezember 2009; FG-A. Bl. 29 f, 149 f). Entsprechend der anwaltlichen Empfehlung schrieb der Kläger die beiden Agenturen am 4. Dezember 2009 an und forderte sie auf, ihm kurzfristig mitzuteilen und nachzuweisen, welche Agentur den Auftrag der Stadtwerke X erhalten habe. Die B Ltd.. teilte ihm darauf mit, dass ihr der Auftrag der Stadtwerke X erteilt worden sei. Entsprechend unterzeichnete der Kläger am 8. Dezember 2009 einen Vertrag mit der B Ltd.. und führte in der Folge das Projekt auch erfolgreich durch.

Die D Ltd. hat dem Kläger auf sein Schreiben nicht geantwortet. Der Kläger erhielt stattdessen bereits am 4. Dezember 2009 ein Schreiben des englischen Rechtsanwaltes P, der von der D Ltd. beauftragt worden war (s. FG-Akten Bl. 84). In dem Schreiben heißt es u.a.:

„Ihre Zustimmung, Services für XX („Stadtwerke X“) über B zu erbringen, stellt demnach einen Vertragsbruch hinsichtlich einer Reihe der oben genannten Bedingungen dar, und wir haben unseren Mandanten auf sein Recht hingewiesen, für diesen Vertragsbruch von Ihnen Schadensersatz zu verlangen.

Dementsprechend informieren wir Sie mit diesem Schreiben über den Anspruch unseres Mandanten und ersuchen Sie um Ihre Bestätigung, dass Sie die Bedingungen des Vertrages erfüllen und ihre Services für XX ausschließlich über  D erbringen. Falls wir diesbezüglich keine Bestätigung von Ihnen erhalten und sie die Services für XX über andere Partner und nicht über D erbringen, wird unser Mandant Schadensersatzforderungen für ihm entstandene Verluste stellen. Unser Mandant stuft den Schaden als wesentlich ein und beziffert ihn auf mindestens  EUR 40.000,00, einschließlich entgangenen Gewinns und Rechtskosten. …

Während der Aufsetzung dieses Schreibens hat unser Mandant uns eine Kopie Ihres Faxes mit heutigem Datum zukommen lassen, in dem Sie darum bitten, die vertraglichen Vereinbarungen zwischen D und XX darzulegen. Diese vertraglichen Vereinbarungen zwischen D und XX sind für die Vertragsbeziehungen zwischen Ihnen und D nicht relevant und haben keine Auswirkungen auf Ihre vertraglichen Verpflichtungen. Ein etwaiger Zusammenbruch der geschäftlichen Beziehungen zwischen XX und D wäre jedoch eine direkte Folge Ihres Versuchs, ein besseres Geschäft über B abzuschließen, obwohl Sie bereits Vereinbarungen mit D getroffen haben. Wie bereits oben erwähnt, stellen Ihre Verhandlungen und Ihre offensichtliche Absicht, Ihre Services ab Montag über B zu erbringen, einen eindeutigen Vertragsbruch dar.

In Erwartung Ihrer diesbezüglichen Antwort verbleiben wir …“

Der Kläger passivierte in der am 21. Oktober 2010 aufgestellten Bilanz zum 31. Dezember 2009 eine sonstige Rückstellung in Höhe von 40 000 €. In der Gewinn- und Verlustrechnung wird dieser Betrag als Rechts-und Beratungskosten ausgewiesen.

Der Beklagte (das Finanzamt -FA-) setzte die Einkommensteuer für das Streitjahr (2009) mit Bescheid vom 1. Juli 2011 fest und ließ dabei die angesetzte Rückstellung nicht zum Abzug zu.

Der dagegen erhobene Einspruch blieb ohne Erfolg. Auf die Einspruchsentscheidung vom 11. Januar 2013 wird Bezug genommen.

Mit der dagegen erhobenen Klage macht der Kläger geltend, das FA habe den Ansatz der begehrten Rückstellung zu Unrecht abgelehnt. Die Voraussetzungen für die Passivierung einer Rückstellung lägen vor. Die Wahrscheinlichkeit einer Inanspruchnahme sei gegeben. Bei vertraglichen Verpflichtungen sei grundsätzlich davon auszugehen, dass der Gläubiger seine Rechte kenne und von ihnen Gebrauch mache. Da nach englischem Recht die Schadensersatzforderung erst nach sechs Jahren verjähre, werde die Rückstellung mit 29.009,83 € bewertet. An der ursprünglichen Rückstellungshöhe von 40.000 € werde in Anbetracht der fehlenden Anhängigkeit eines Verfahrens bei einem englischen Gericht nicht mehr festgehalten. Wegen weiterer Einzelheiten des Sachvortrages des Klägers wird auf die eingereichten Schriftsätze Bezug genommen.

Der Kläger beantragt,
den geänderten Einkommensteuerbescheid für 2009 vom 10. Januar 2013 dahin zu ändern, dass eine Rückstellung in Höhe von 29.009,83 Euro in der Bilanz zum 31. Dezember 2009 zum Abzug zugelassen wird.

Das FA beantragt,
die Klage abzuweisen.

Das Finanzamt weist darauf hin, das Schreiben des englischen Rechtsanwaltes vom 4. Dezember 2009 sei gewissermaßen nur ein "Schuss vor den Bug“ gewesen. Die Voraussetzungen für eine Rückstellung lägen nicht vor, da eine Wahrscheinlichkeit der Inanspruchnahme aufgrund objektiver, am Bilanzstichtag vorliegender und spätestens bei Aufstellung der Bilanz erkennbarer Tatsachen nicht angenommen werden könne.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die eingereichten Schriftsätze und die vorgelegten Unterlagen sowie auf die Behördenakten (Einkommensteuerakten, Rechtsbehelfsakten) und die Gerichtsakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist unbegründet.

Das FA hat die streitbefangene Rückstellung wegen einer möglichen Verpflichtung des Klägers zum Schadensersatz gegenüber der D Ltd. zu Recht nicht zum Abzug zugelassen. Denn der Kläger musste zum Bilanzstichtag (noch) nicht ernsthaft mit einer Inanspruchnahme rechnen.

1. a) Der Ansatz einer Rückstellung wegen einer vertraglich begründeten Schadensersatzverpflichtung ist nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes (BFH) -unter weiteren Voraussetzungen- nur dann steuerrechtlich zulässig, wenn und soweit der Steuerpflichtige nach den am Bilanzstichtag objektiv gegebenen und bis zur Aufstellung der Bilanz subjektiv erkennbaren Verhältnissen ernsthaft damit rechnen musste, dass eine Verbindlichkeit besteht oder entstehen wird und eine Inanspruchnahme aus der Verbindlichkeit wahrscheinlich ist (s. Weber-Grellet in Schmidt, Einkommensteuergesetz, Kommentar, 33. Aufl., § 5 Rz 376, m.w.N.; s. zusammenfassend BFH-Urteil vom 19. Oktober 2005 XI R 64/04, BStBl II 2006, 371, m.w.N.). Die bloße Möglichkeit einer Inanspruchnahme des Schuldners reicht nicht aus. Die Inanspruchnahme muss vielmehr wahrscheinlich sein. Nach ständiger Rechtsprechung müssen für die Wahrscheinlichkeit der Inanspruchnahme mehr Gründe dafür als dagegen sprechen und der Steuerpflichtige darf im Hinblick auf seine Inanspruchnahme nicht die pessimistischste Annahme wählen. Das Wahrscheinlichkeitsurteil kann sich auf betriebsindividuelle oder branchenübliche Erfahrungen der Vergangenheit stützen. Bedeutsam können insbesondere auch die für den Schuldner erkennbaren Vorstellungen des Anspruchsberechtigten sein. Die Feststellung der Wahrscheinlichkeit ist im Wesentlichen einzelfallbezogen. Der Steuerpflichtige ist gehalten, zur Rechtfertigung der von ihm begehrten Rückstellung konkrete Tatsachen darzulegen; der Steuerpflichtige trägt die Feststellungslast. Bei fehlender Wahrscheinlichkeit besteht ein Passivierungsverbot  (s. BFH-Urteil vom 25. April 2006 VIII R 40/04, BStBl II 2006, 749, unter 2., m.w.N.).

b) Nach diesen Maßstäben war der Ansatz einer Rückstellung im Streitfall nicht geboten. Es kann insoweit offen gelassen werden, ob zum Bilanzstichtag am 31. Dezember 2009 überhaupt hinreichend wahrscheinlich war, dass der Kläger nach englischem Recht gegenüber der Fa. D Ltd. zur Leistung von Schadensersatz verpflichtet war (unter aa). Das Gericht wäre insoweit ggf. gehalten, den maßgeblichen Inhalt des englischen Rechts  und dessen konkrete Ausgestaltung in der englischen Rechtspraxis von Amts wegen zu ermitteln (s. § 293 ZPO i.V.m. §§ 155 FGO; vgl. z.B. BFH-Urteil vom 13. Juni 2013 III R 10/11, BFHE 241, 562, BStBl II 2014, 706). Im Streitfall war indes unabhängig vom Bestehen einer derartigen Verpflichtung jedenfalls nicht überwiegend wahrscheinlich, dass der Kläger aus einer solchen Verpflichtung in Anspruch genommen würde (unter bb).

aa) Es kann als zweifelhaft angesehen werden, ob der Kläger nach englischem Recht gegenüber der D Ltd. überhaupt zum Schadensersatz verpflichtet sein könnte. Der Kläger hat eine solche Verpflichtung zwar stets behauptet, das Bestehen der Verpflichtung jedoch nicht näher dargetan. Der Kläger hat sich insbesondere nicht mit dem nahe liegenden Einwand auseinandergesetzt, dass die D Ltd. den Hauptauftrag letztlich gar nicht erhalten hat und daher den mit dem Kläger abgeschlossenen Subunternehmervertrag ihrerseits gar nicht erfüllen konnte. Nach deutschem Recht hätte sich der Kläger bei dieser Sachlage wieder von dem Subunternehmervertrag lösen und sich dabei jedenfalls auf die Grundsätze über den Wegfall der Geschäftsgrundlage berufen können (vgl. Urteil des Bundesgerichtshofes -BGH- vom 29. Juli 2004 III RZR 293/03, NJW-RR 2004, 1498, unter I.2.b; s. ferner § 313 BGB). Denn nach der Rechtsprechung des BGH in NJW-RR 2004, 1498 wirken sich etwaige Leistungsstörungen auf der Ebene des Hauptauftrages bei derartig gestuften Vertragsverhältnissen grundsätzlich auch auf den Subunternehmervertrag aus und der Subunternehmer kann sich bei einem Wegfall des Hauptvertrages grundsätzlich auch ohne ausdrückliche entsprechende Vereinbarung von dem Subunternehmervertrag lösen, sei es unter Anwendung der Regeln über den Wegfall der Geschäftsgrundlage (vgl. § 313 BGB), sei es ggf. über ein Kündigungsrecht nach § 626 BGB.

Es kann (zwar) angenommen werden, dass es sich insoweit um allgemeingültige Rechtsmaßstäbe handelt, die im Zweifel auch im englischen Recht  zur Anwendung gelangen dürften. Denn es wäre unbillig und würde gegen die Grundsätze von Treu und Glauben verstoßen, wenn die D Ltd. den Kläger an einem Vertragsverhältnis wirksam festhalten könnte, obwohl sie selbst den eingegangen Vertrag gar nicht erfüllen kann. Der Vertreter des FA hat insoweit  in der mündlichen Verhandlung darauf hingewiesen, dass sich die D Ltd. durch ein Festhalten an dem Vertrag gegenüber dem Kläger ggf. selbst schadensersatzpflichtig machen würde. Im Hinblick darauf, dass das Gericht den maßgeblichen Inhalt des englischen Rechts jedoch gemäß § 293 ZPO  i. V. m. § 155 FGO von Amts wegen ermitteln müsste (ggf. durch Einholung eines Sachverständigengutachtens, vgl. BGH-Urteil vom 14. Januar 2014 II ZR 192/13, NJW 2014, 1244), wird die Frage, ob nach englischem Recht überhaupt ein Schadensersatzanspruch der D Ltd. entstanden sein könnte, im Ergebnis offen gelassen.

bb) Denn unabhängig vom Bestehen einer Verpflichtung zum Schadensersatz musste der Kläger bei Würdigung der im Streitfall maßgeblichen Umstände zum Bilanzstichtag am 31. Dezember 2009 nicht ernstlich damit rechnen, aus der (behaupteten) Verpflichtung  in Anspruch genommen zu werden. Das Gericht stützt diese Würdigung vor allem auf eine Auslegung des Schreibens des englischen Rechtsanwaltes P vom 4. Dezember 2009 (s. FG-A. Bl. 83).

Der Kläger erhielt das Schreiben im sachlichen und zeitlichen Zusammenhang mit der Entscheidung der Stadtwerke X über die Vergabe des Auftrags entweder an die D Ltd. oder an die B Ltd.. Aufgrund des erfolgreich verlaufenen Bewerbungsinterviews konnte der Kläger zwar davon ausgehen, dass er den Programmierungsauftrag durchführen sollte. Es war jedoch für den Kläger und  möglicherweise auch für die beiden konkurrierenden Consulting-Unternehmen bis zuletzt unklar, wer den Zuschlag der Stadtwerke X erhalten würde und für welches der beiden Unternehmen der Kläger überhaupt tätig werden konnte. Dem Kläger war es dabei gleichgültig, ob die B Ltd.. oder die D Ltd. den Auftrag erhielten, da die für ihn maßgeblichen Konditionen gleich waren (s. Erklärungen des Klägers im Erörterungstermin; s. FG-A. Bl. 112). Um sich Klarheit zu verschaffen, hat der Kläger daher auf Empfehlung des von ihm eingeschalteten deutschen Rechtsanwaltes die beiden Agenturen aufgefordert, ihm mitzuteilen, wer nun tatsächlich den Auftrag erhalten hatte. Der Kläger hatte sich zwar gegenüber der D Ltd. bereits vertraglich gebunden und er war insoweit jedenfalls zu vertragstreuem Verhalten verpflichtet. Es durfte aber seitens des Klägers bezweifelt werden, ob diese Verpflichtung auch dann gleichsam eine Knebelung oder „Blockierung“ des Klägers bewirken konnte, wenn die Stadtwerke X den Auftrag nicht der D Ltd., sondern  -wie dann tatsächlich geschehen- der B Ltd.. erteilen sollten. Diese Würdigung steht letztlich auch nicht in Widerspruch zu der Einschätzung des vom Kläger hinzugezogenen deutschen Rechtsanwaltes. Nach dessen E-Mail vom 3. Dezember 2009 musste der Kläger zwar im „schlimmsten“ Fall mit Schadensersatzansprüchen der Partei rechnen, die den Hauptauftrag nicht erhalten hat.  Der deutsche Rechtsanwalt hat jedoch zugleich darauf hingewiesen, dass nur die Agentur, die den Hauptauftrag tatsächlich erhalten hat und ihrerseits überhaupt in der Lage ist, den Vertrag gegenüber dem Kläger zu erfüllen, „redlicherweise damit rechnen (könne)“, dass der Kläger für sie tätig werde (s. FG-A. Bl. 30).

Bei dieser noch unklaren Sachlage war das Schreiben des englischen Rechtsanwaltes für den Kläger in erster Linie dahin zu verstehen, dass er zu vertragstreuem Verhalten angehalten und ihm Sanktionen für den Fall angedroht werden sollten, dass er gegen seine Vertragspflichten aus dem mit der D Ltd. bereits geschlossenen Vertrag verstoßen sollte. Das Schreiben des (gegnerischen) Rechtsanwaltes diente bei dieser Würdigung vor allem dazu, das Verhalten des Klägers im Interesse der D Ltd. so zu beeinflussen, dass es möglichst doch (noch) zu einem Vertragsabschluss zwischen den Stadtwerken X und der D Ltd. kommen konnte. Das Zustandekommen eines solchen Vertrages sollte jedenfalls nicht aus Gründen scheitern, auf die der Kläger einen Einfluss ausüben konnte. Das Schreiben des englischen Rechtsanwaltes war für den Kläger bei dieser Sachlage daher noch nicht als konkrete Geltendmachung eines Ersatzanspruches zu verstehen, sondern diente in der Endphase des Wettbewerbs um die Vergabe eines Auftrages aus Sicht der D Ltd. gleichsam als Mittel, den Kläger zu „disziplinieren“. Dem Kläger sollte verdeutlich werden, dass die D Ltd. noch entschieden um den Auftrag kämpft und es nicht hingenommen würde, wenn der Kläger etwa versuchen sollte, über die B Ltd.. „ein besseres Geschäft“ abzuschließen, und er dadurch den Vertragsabschluss zwischen der D Ltd. und den Stadtwerken X zu Fall bringen sollte (s. Schreiben vom 4. Dezember 2009, FG-A. Bl. 83 f).

c) Dieser Beurteilung, dass das Schreiben des englischen Rechtsanwaltes noch nicht als außergerichtliche Geltendmachung eines Schadensersatzanspruches, sondern nur als Ankündigung oder Androhung zu werten ist, stehen auch keine etwaigen wertaufhellenden Umstände entgegen, die beim Bilanzstichtag bereits vorlagen, aber erst bis zur Aufstellung der Bilanz bekannt geworden sind. Es konnte insbesondere nicht festgestellt werden, dass die D Ltd. unter Bezugnahme auf das Schreiben des englischen Rechtsanwaltes noch einmal an den Kläger herangetreten wäre. Es kann daher angenommen werden, dass die D Ltd. die Vorgehensweise des Klägers als nachvollziehbar angesehen und akzeptiert hat. Für diese Würdigung spricht, dass die Ursache für das Scheitern des Vertragsabschlusses zwischen der D Ltd. und den Stadtwerken X nicht in einem illoyalen Verhalten des Klägers, sondern in der Sphäre der D Ltd. lag (s. Erklärungen des Klägers im Erörterungstermin). Diese Beurteilung wird ferner dadurch bestätigt, dass die von der D Ltd. eingeschalteten „Kontakter“ in der Folgezeit mehrfach mit dem Kläger wegen eines möglichen neuen Vertrages in Kontakt getreten sind (s. Hefter „E-Mail-Korrespondenz des Klägers“). Soweit der Klägervertreter hervorgehoben hat, das Zustandekommen eines (neuen) Vertrages mit der D Ltd. sei (auch) daran gescheitert sei, dass die D Ltd. nicht verbindlich erklären wollte, aus dem Vorgang „Stadtwerke X“ keine Rechte mehr gegen den Kläger herzuleiten, könnte ein solches Verhalten nicht als (außergerichtliche) Inanspruchnahme des Klägers gewertet werden. Im Übrigen handelte es sich insoweit um Tatsachen, die erst nach dem Bilanzstichtag eingetreten sind und nicht mehr als wertaufhellend betrachtet werden könnten.

2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

3. Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor. Es fehlt insbesondere an einer grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (s. § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO). Die Entscheidung beruht auf den Maßstäben der höchstrichterlichen Rechtsprechung.