Kapitalanlagerecht


Fehlberatung und Schadensersatz

BGH, Urteil vom 24.04.2012 - XI ZR 360/11 -

I.

 

Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner in BeckRS 2011, 29481 veröffentlichten Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:

 

Die Beklagte hafte der Klägerin als Prospektverantwortliche und wegen einer Verletzung des zwischen den Parteien geschlossenen Beratungsvertra-ges auf Schadensersatz, denn sowohl der Emissionsprospekt als auch die Be-ratung der Beklagten seien hinsichtlich des Alters des Fondsobjekts in L. und damit in einem für die Anlageentscheidung der Klägerin we-sentlichen Punkt unrichtig gewesen. Die Klägerin könne jedoch Zug um Zug gegen die Abtretung ihrer Beteiligungsrechte nur die Rückerstattung ihrer Ein-lage sowie des Agios in Höhe von insgesamt 53.658,65 € abzüglich erhaltener Ausschüttungen in Höhe von 14.540,12 €, mithin nur 39.145,53 € beanspru-chen. Die von ihr in zweiter Instanz darüber hinaus begehrte Erstattung entgan-gener Anlagezinsen in Höhe von 24.177,49 € stehe der Klägerin nicht zu, denn sie habe weder nachgewiesen, dass sie bei richtiger Aufklärung alternativ einen Sparbrief oder ein Bundeswertpapier mit einer sicheren durchschnittlichen Ren-dite von 5,8% bzw. 5,16% gezeichnet hätte, noch, dass nach dem gewöhnli-chen Lauf der Dinge oder nach den besonderen Umständen des Einzelfalles ein solcher Gewinn oder aber ein Gewinn von mindestens 4% p.a. zu erwarten gewesen sei.

 

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme sei es der Klägerin bei der Wiederanlage ihres Kapitals auf die Beibehaltung des Zinsniveaus des abgelau-fenen Sparbriefes und die Übertragbarkeit der Anlage unter erbschafts- und schenkungssteuerrechtlichen Gesichtspunkten angekommen. Da ein ähnlicher Zinssatz mit Sparbriefen zum damaligen Zeitpunkt nicht erzielbar gewesen sei, habe sie nach anderen Anlagemöglichkeiten mit höherer Rendite/Verzinsung gefragt, woraufhin ihr der Fonds empfohlen worden sei. Angesichts dessen könne nicht angenommen werden, dass sich die Klägerin bei gebotener Aufklä-rung erneut für einen Sparbrief oder ein Bundeswertpapier entschieden hätte. Es sei vielmehr naheliegend, dass die Klägerin eine Anlage gewählt hätte, die abstrakt die gleichen Vorteile wie der streitgegenständliche Fonds geboten hätte. Mangels ausreichender Anhaltspunkte dafür, um welche Art von Anlage es sich gehandelt und welchen Gewinn bzw. Verlust die Klägerin dabei erzielt hät-te, komme eine Schätzung des entgangenen Gewinns nach § 252 BGB, § 287 ZPO nicht in Betracht.

 

Die Klägerin könne entgangene Anlagezinsen auch nicht in Höhe des gesetzlichen Zinssatzes von 4% p.a. beanspruchen. Zwar sei davon auszuge-hen, dass die Klägerin ihr Kapital nicht ungenutzt gelassen, sondern anderwei-tig angelegt hätte. Dass eine andere Anlageform nach dem gewöhnlichen Ver-lauf der Dinge mit Wahrscheinlichkeit gewinnbringend gewesen und mindestens den gesetzlichen Zinssatz erbracht hätte, könne jedoch nicht angenommen werden, da eine Alternativanlage stets von Anlageziel und -verhalten des ein-zelnen Anlegers abhänge, der zur Erzielung höherer Renditen auch bereit sein könne, gewisse Risiken in Kauf zu nehmen. Zudem ergäben auch die Statisti-ken der Deutschen Bundesbank für Umlaufrenditen von Anleihen der öffentli-chen Hand und festverzinslichen Wertpapieren inländischer Bankschuldver-schreibungen bei Laufzeiten von 15 bis 30 Jahren nur einen Zinsgewinn in Hö-he von 2 bis 3% p.a., so dass ein wahrscheinlicher Mindestgewinn der Klägerin nicht angenommen werden könne.

 

II.

 

Diese Ausführungen halten rechtlicher Überprüfung stand, so dass die Revision zurückzuweisen ist. Das Berufungsgericht hat den von der Klägerin in zweiter Instanz erstmals geltend gemachten Anspruch auf Erstattung entgan-gener Anlagezinsen in Höhe von insgesamt 24.177,49 € zu Recht verneint.

 

1. Der Schadensersatzanspruch wegen schuldhafter Verletzung des Be-ratungsvertrages und fehlerhafter Prospektangaben, den das Berufungsgericht der Klägerin dem Grunde nach rechtskräftig zugesprochen hat, umfasst nach § 252 Satz 1 BGB allerdings auch den entgangenen Gewinn. Dazu gehören grundsätzlich auch entgangene Anlagezinsen. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ist einem Kapitalanleger, der durch unrichtige Angaben dazu bewogen worden ist, einer Publikumsgesellschaft beizutreten, nicht nur seine Einlage in diese Gesellschaft, sondern auch der Schaden zu ersetzen, der sich typischerweise daraus ergibt, dass das Eigenkapital des Anlegers in dieser Höhe erfahrungsgemäß nicht ungenutzt geblieben, sondern zu einem allgemein üblichen Zinssatz angelegt worden wäre (BGH, Urteil vom 2. Dezem-ber 1991 - II ZR 141/90, WM 1992, 143, 144 mwN).

 

2. Entgegen der Ansicht der Revision hat das Berufungsgericht jedoch die Erstattung von Wiederanlagezinsen in Höhe der für Sparbriefe oder Bun-deswertpapiere durchschnittlich erzielbaren Zinssätze ebenso rechtsfehlerfrei abgelehnt wie die von der Klägerin hilfsweise begehrte Erstattung eines Min-destschadens in Höhe des gesetzlichen Zinssatzes von 4% p.a.

 

a) Dafür, dass und in welcher Höhe ihm durch das schädigende Ereignis ein solcher Gewinn entgangen ist, ist der Geschädigte darlegungs- und beweis-pflichtig. § 252 Satz 2 BGB enthält für den Geschädigten lediglich eine die Re-gelung des § 287 ZPO ergänzende Beweiserleichterung (Senatsurteil vom 13. Januar 2004 - XI ZR 355/02, WM 2004, 422, 425; Palandt/Grüneberg, BGB, 71. Aufl., § 252 Rn. 4). Der Geschädigte kann sich deshalb zwar auf die Be-hauptung und den Nachweis der Anknüpfungstatsachen beschränken, bei de-ren Vorliegen die in § 252 Satz 2 BGB geregelte Vermutung eingreift (BGH, Urteil vom 28. Februar 1996 - XII ZR 186/94, WM 1996, 1270, 1272 mwN). Die Wahrscheinlichkeit einer Gewinnerzielung im Sinne von § 252 BGB aufgrund einer zeitnahen alternativen Investitionsentscheidung des Geschädigten und deren Umfang kann jedoch nur anhand seines Tatsachenvortrages dazu beur-teilt werden, für welche konkrete Form der Kapitalanlage er sich ohne das schädigende Ereignis entschieden hätte (vgl. Braun/Lang/Loy in Ellenberger/ Schäfer/Clouth/Lang, Praktikerhandbuch Wertpapier- und Derivategeschäft, 4. Aufl., Rn. 508).

 

b) Hier hat die Klägerin zwar vorgetragen, dass sie sich bei einer ord-nungsgemäßen Beratung bzw. Prospektinformation nicht für einen Immobilien-fonds, sondern - wie zuvor - für eine Geldanlage in Form eines festverzinslichen Sparbriefes bzw. eines Bundeswertpapiers entschieden hätte. Diesen Vortrag hat das Berufungsgericht jedoch nach dem Ergebnis der von ihm durchgeführ-ten Beweisaufnahme als nicht bewiesen angesehen. Vielmehr hat es das Beru-fungsgericht aufgrund der Angaben des Zeugen M. , des Beraters der Be-klagten, zu den Anlagezielen der Klägerin als naheliegend angesehen, dass die Klägerin eine andere Anlage gewählt hätte, die die gleichen Vorteile wie die Fondsbeteiligung geboten hätte, nämlich eine höhere Rendite und eine steuer-rechtlich günstigere Übertragbarkeit. Gegen diese tatrichterliche Beweiswürdi-gung erhebt die Revision, wie sie in der Revisionsverhandlung ausdrücklich erklärt hat, keine Einwendungen und bestehen auch sonst keine Bedenken.

 

c) Das gilt auch für die weitere Annahme des Berufungsgerichts, es lie-ßen sich keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür feststellen, welche Art von Anlage die Klägerin gegebenenfalls gewählt hätte und welche Gewinne oder Verluste sie dabei erzielt hätte. Soweit das Berufungsgericht daraus den Schluss gezogen hat, dass eine Schätzung des der Klägerin entgangenen Gewinns mangels Schätzgrundlage nicht in Betracht komme, ist das aus Rechts-gründen nicht zu beanstanden.

 

d) Ohne Erfolg beruft sich die Revision demgegenüber auf § 252 Satz 2 Fall 1 BGB, wonach als entgangen der Gewinn gilt, welcher nach dem gewöhn-lichen Lauf der Dinge mit Wahrscheinlichkeit erwartet werden konnte.

 

aa) Entgegen der Ansicht der Revision folgt daraus nicht die - von der Beklagten unwiderlegte - Vermutung, dass sich die Klägerin bei ordnungsge-mäßer Beratung bzw. Prospektinformation - wie zuvor - für eine Geldanlage in Form eines festverzinslichen Sparbriefes bzw. eines Bundeswertpapiers ent-schieden hätte. Dem steht entgegen, dass das Berufungsgericht, wie oben ausgeführt, in unangegriffener und rechtsfehlerfreier tatrichterlicher Beweiswürdi-gung festgestellt hat, dass die Klägerin eine andere Anlage gewählt hätte, die die gleichen Vorteile wie die Fondsbeteiligung geboten hätte, nämlich eine hö-here Rendite und eine steuerrechtlich günstigere Übertragbarkeit.

 

bb) Zu Recht ist das Berufungsgericht auch nicht der Auffassung des Thüringer Oberlandesgerichts Jena (ZIP 2008, 1887, 1889) gefolgt, nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge könne mit Wahrscheinlichkeit erwartet werden, dass sich ein zur Verfügung stehender Geldbetrag zumindest in Höhe des ge-setzlichen Zinssatzes von 4% p.a. (§ 246 BGB) verzinse. Wie der Senat aus zahlreichen Verfahren weiß, entspricht es schon nicht dem gewöhnlichen Lauf der Dinge, dass eine Geldanlage überhaupt Gewinn abwirft. Erst recht gilt das für eine Verzinsung von 4% p.a.. In Übereinstimmung damit hat das Berufungs-gericht unangegriffen und rechtsfehlerfrei festgestellt, dass die Statistiken der

Deutschen Bundesbank über Umlaufrenditen von Anleihen der öffentlichen Hand und verzinslichen Wertpapieren inländischer Bankschuldverschreibungen für die vorausgegangenen Monate selbst bei Laufzeiten von 15 bis 30 Jahren fast ausschließlich Werte von nur 2 bis 3% p.a. ausweisen und danach selbst oder gerade bei solchen verlustsicheren Anlagen ein genereller und pauschaler wahrscheinlicher Mindestgewinn tatsächlich nicht angenommen werden kann.