Werkvertragsrecht


Mängelbeseitigung und Prognoserisiko

OLG Oldenburg, Urteil vom 04.08.2015 - 2 U 15/15 -

Kurze Inhaltsangabe:

 

Die Werkleistungen des Klägers waren in Teilbereichen mangelhaft gewesen. Da der Kläger eine Mängelbeseitigung endgültig ablehnte, nahm der Beklagte nach Einholung eines Gutachtens des Streitverkündeten eine Ersatzvornahme vor, im Rahmen derer er gemäß dem Gutachten den mangelhaften Bodenbelag neu herstellen ließ.

 

Gegen den mit der Klage vom Kläger geltend gemachten Werklohnanspruch erklärte der Beklagte Aufrechnung mit seinen Aufwendungen für die Mängelbeseitigung. Das Landgericht hielt einen Kostenaufwand für die Mängelbeseitigung von € 3.138,80 für ausreichend und verurteile den Beklagten im übrigen. Es ging, gestützt auf ein im gerichtlichen verfahren eingeholtes Gutachten, davon aus, dass eine Nachbesserung möglich gewesen wäre und die hier geltend gemachten Mehrkosten der Neuherstellung nicht verlangt werden könnten.

 

Dem schloss sich das OLG Oldenburg nicht an. Auf die Berufung des Streithelfers änderte es das landgerichtliche Urteil ab und wies die Klage ab, soweit vom Beklagten Kosten für die Neuherstellung zur Aufrechnung gestellt wurden. Es wies auf die Entscheidung des BGH vom 07.03.2013 – VII ZR 119/10 – hin, derzufolge das Prognoserisiko nicht den Besteller sondern den Unternehmer trifft. Der Auftraggeber könne Erstattung der fremdnachbesserungskosten verlangen, die er als vernünftiger, wirtschaftlich denkender Bauherr im Zeitpunkt der Beauftragung des Dritten für angemessen halten durfte. Hat er sich dabei sachverständig beraten lassen, kann er regelmäßig die Fremdnachbesserungskosten verlangen, die  ihm auf Grund der Beratung entstanden sind; das Risiko einer Fehleinschätzung trägt in einem solchen Fall der Auftragnehmer (Werkunternehmer).

 

 

Da vorliegend der Streithelfer anerkannter Sachverständiger war, hat der Kläger für die durch dessen Empfehlung entstandenen Kosten unabhängig davon aufzukommen, dass möglicherweise die Maßnahme (so) nicht erforderlich war. 

 

Aus den Gründen:

Tenor

Auf die Berufung des Streithelfers wird das Urteil der 5. Zivilkammer des Landgerichts Oldenburg vom 11.02.2015 unter Zurückweisung der weitergehenden Berufung geändert.

 

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 214,20 Euro nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf 4.662,49 Euro für die Zeit vom 17.10.2012 bis zum 21.08.2013 und auf von  214,20 Euro seit dem 22.08.2013 zu zahlen.

 

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

 

Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz haben die Klägerin zu  76 % und die Beklagte zu 24 % zu tragen. Die durch den Streitbeitritt verursachten Kosten erster Instanz hat die Klägerin zu 76  % zu tragen. Im Übrigen hat sie der Streithelfer selbst zu tragen.

Die Kosten des Rechtsstreits zweiter Instanz, einschließlich der durch den Streitbeitritt verursachten Kosten, hat die Klägerin zu tragen.

 

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

 

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

Die Klägerin nimmt die Beklagte auf restlichen Werklohn für die Durchführung von Bodenbelagsarbeiten in einer Schule in Anspruch. Die Beklagte hat in zwei Räumen im Wege der Ersatzvornahme den von der Klägerin erstellten Bodenbelag neu herstellen lassen und u. a. diese Kosten in Höhe von 13.942,58 Euro der Forderung der Klägerin entgegengehalten.

Auf die tatbestandlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils wird im Übrigen verwiesen.

Durch dieses Urteil hat das Landgericht die Beklagte zur Zahlung von 11.017,98 Euro nebst Zinsen verurteilt und die weitergehende Klage abgewiesen.

Das Landgericht ist davon ausgegangen, dass die Werkleistung der Klägerin nicht frei von Mängeln gewesen sei und die Beklagte daher der offenen Werklohnforderung der Klägerin Aufwendungen für eine Ersatzvornahme habe entgegenhalten können. Die insoweit erforderlichen Kosten hätten aber lediglich 3.138,80 Euro betragen.

Auf die weiteren Einzelheiten der Entscheidungsgründe wird verwiesen.

Gegen dieses Urteil wendet sich der Streithelfer mit seiner Berufung und macht geltend, dass entgegen der Auffassung des Landgerichtes nicht nur einzelne Stellen der beiden betroffenen Klassenräume hätten überarbeitet werden müssen, sondern ein Gesamtaustausch erforderlich gewesen sei. Selbst wenn aber die Nachbesserung einzelner Stellen ausreichend gewesen wäre, hätte sich die Beklagte auf die Angaben des Streithelfers, den sie als Sachverständigen hinzugezogen und der einen Gesamtaustausch für erforderlich gehalten hatte, verlassen dürfen.

Der Streithelfer beantragt,

das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat der Berufung zugestimmt.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil.

Die Berufung ist zulässig, und hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfange Erfolg.

Die Berufung des Streithelfers wirkt für die unterstützte Partei und bringt diese in die Stellung des Rechtsmittelklägers, selbst wenn sie selbst auf die Berufungseinlegung verzichtet hatte (Zöller-Heßler, ZPO 30. Aufl. Vor § 511 RN 24; Musielak/Voit/Ball, ZPO, 12. Aufl. § 511 Rn. 13). Die Beklagte hat der Berufungseinlegung durch den Streithelfer hier auch nicht widersprochen, sondern dieser ausdrücklich zugestimmt.

Das Landgericht ist zunächst in berufungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise davon ausgegangen, dass die Werkleistung der Klägerin in den Räumen 42.1 und 42.2 mangelhaft war.

Der Streithelfer hat in seinem Gutachten vom 03.09.2012 im Raum 42.1 11 Stellen festgestellt, die nach seiner Beurteilung außerhalb der Toleranz der DIN 18202 lägen und im Raum 42.2 8 unzulässige Stellen. Der vom Gericht beauftragte Sachverständige … hat in seinem Gutachten vom 28.06.2013 kritisiert, dass ein zu kurzer Richtscheid zur Überprüfung der Abweichungen vom Streithelfer genutzt worden sei. Er gelangt dort zu dem Ergebnis, dass aus der Schwarz-Weiß-Dokumentation des Streithelfers keinerlei Mängel hätten festgestellt werden können, die einer Abnahme entgegenstehen könnten. Bei seiner Anhörung hat der Sachverständige ausgeführt, dass der vom Streithelfer verwendete Rissbreitenstreifen nicht gut ablesbar sei. Normalerweise verwende man kleine Keile, auf welchen die Maße eingezeichnet seien; diese Messmethode sei genauer. Wegen der vom gerichtlichen Sachverständigen beanstandeten Verwendung eines Messkeiles ist das Landgericht von einem Ablesefehler von bis zu 1 mm ausgegangen. Berücksichtigt man diesen Ablesefehler ergäben sich -übertragen auf das Gutachten des Streithelfers vom 03.09.2012 - jeweils um 1 mm reduzierte Ablesewerte. Dies würde dazu führen, dass im Raum 42.1 noch 9 Stellen den Toleranzwert überschritten hätten, im Raum 42.2 noch 4 Stellen.

Vor dem Hintergrund, dass es sich um Klassenräume handelt, in dem viele Tische stehen, ist die Einschätzung des Landgerichtes, dass die Werkleistung insoweit fehlerhaft ist, nicht zu beanstanden. Auch die Klägerin nimmt das nicht mehr in Abrede.

Die Beklagte war auch berechtigt, der Klägerin den Auftrag zu entziehen.

Das Landgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Klägerin die vertragsgemäße Fertigstellung endgültig verweigert habe, da sie die erste Fristsetzung vom 21.08.2012 ungenutzt habe verstreichen lassen und nach Vorlage des Privatgutachtens die dortigen Bewertungen angegriffen und ein Beweissicherungsverfahren mit der Behauptung beantragt habe, ihre Leistungen seien mangelfrei erbracht. Das Landgericht hat sich dabei auf die Rechtsprechung des BGH gestützt, wonach es der Auftragsentziehung nicht bedürfe, wenn der Auftragnehmer die vertragsgemäße Fertigstellung endgültig verweigere. Denn dadurch verliere er sein Recht, die Herstellung selbst vorzunehmen. Bei dieser Fallgestaltung könne es unter den Beteiligten zu unklaren Verhältnissen nicht kommen, weil der Auftraggeber entweder die vertragsgemäße Fertigstellung verlange oder die Ersatzvornahme durchführen könne. Ein Nebeneinander von Auftragnehmer und Drittunternehmer, das zu Streitigkeiten auf der Baustelle führen könne, sei dann ausgeschlossen. Bei diesen Voraussetzungen sei der Auftraggeber ohne vorherige Kündigung des Vertrages oder Benachrichtigung des Auftragnehmers berechtigt, die Mängel durch einen Drittunternehmer beseitigen zu lassen (BGH, VII ZR 80/07, Versäumnisurteil vom 09.10.2008).

Im Abnahmetermin vom 21.08.2012 war wegen der Mängel in den Räumen die Abnahme verweigert worden. Mit Schreiben vom selben Datum - dessen Zugang stellt die Klägerin nunmehr unstreitig - ist die Klägerin aufgefordert worden, die Mängel bis zum 24.08.2012 zu beseitigen. Mit Schreiben vom 23.08.2012 ist die Klägerin darauf hingewiesen worden, dass die "von uns gesetzte Frist zur Beseitigung der Mängel am morgigen Tag fruchtlos ablaufe", der Vertrag gekündigt und die beanstandeten Mängel durch eine andere Firma beseitigt würden. Mit Schreiben vom 27.08.2012 ist der Vertrag dann gekündigt worden. Mit Schriftsatz vom 11.09.2012 hat die Beklagte ein selbständiges Beweisverfahren dahingehend eingeleitet, dass festgestellt werde, dass sich die Bodenbelagsarbeiten in einem abnahmefähigen Zustand befänden. Zur Begründung heißt es, dass sich die Beklagte eines "einfachen Gebäudesachverständige bedient (habe), der nach diesseitiger Auffassung völlig unzureichend Untersuchungen getätigt" habe. Dieser Geschehensablauf zeigt, dass die Klägerin nicht bereit war, Nachbesserungsarbeiten vorzunehmen.

Die Beklagte kann der Klägerin die gesamten Kosten der Ersatzvornahme entgegenhalten.

Gestützt auf den gerichtlichen Sachverständigen war das Landgericht davon ausgegangen, dass die einzelnen Stellen hätten nachgebessert werden können. Demgegenüber hatte der von der Beklagten eingeschaltete Streithelfer in seinem Gutachten vom 03.09.2012 ausgeführt, das die Beläge in den Räumen 42.1 und 42.2 einschließlich der Vorarbeiten zu erneuern seien, wobei er im Raum 42.2 neben den Unebenheitstoleranzen auch noch eine nicht fachgerechte Verlegung festgestellt hatte. Es kann dahinstehen, ob aus technischen Gründen tatsächlich eine vollständige Neuverlegung erforderlich war. Zu Recht weist der Streithelfer nämlich auf die Rechtsprechung des BGH zum sog. Prognoserisiko hin. Der BGH (Urteil vom 7. März 2013, VII ZR 119/10) hat zu § 8 VOB/B ausgeführt:

"Der Auftraggeber kann Erstattung der Fremdnachbesserungskosten verlangen, die er als vernünftiger, wirtschaftlich denkender Bauherr im Zeitpunkt der Beauftragung des Dritten für angemessen halten durfte, wobei es sich um eine vertretbare Maßnahme der Schadensbeseitigung handeln muss. Hat er sich sachkundig beraten lassen, kann er regelmäßig die Fremdnachbesserungskosten verlangen, die ihm aufgrund dieser Beratung entstanden sind. Das mit der sachkundig begleiteten Beurteilung einhergehende Risiko einer Fehleinschätzung trägt der Auftragnehmer. Dieser hat deshalb die Kosten selbst dann zu erstatten, wenn die zur Mängelbeseitigung ergriffenen Maßnahmen sich im Nachhinein als nicht erforderlich erweisen."

Da es sich beim Streithelfer um einen anerkannten Sachverständigen handelt, hat die Klägerin für die Maßnahmen, die auf Empfehlung des Sachverständigen durchgeführt worden sind - hier Erneuerung der Böden in den beiden Räumen - unabhängig davon aufzukommen, dass sie möglicherweise in diesem Maße nicht erforderlich gewesen wären. Die Kosten für die Ersatzvornahme haben 13.942,58 Euro betragen. Das Landgericht hat insoweit aber lediglich 3.138,80 Euro zugesprochen, so dass sich noch eine Differenz zugunsten der Beklagten von 10.803,78 Euro ergibt. Zieht man diesen Betrag von der zugesprochenen Klageforderung ab, verbleiben 214,20 Euro.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91a, 92 Abs. 2 Nr. 1, 101 ZPO analog, 708 Ziff. 10, 711, 713 ZPO