Gesellschaftsrecht


Kundenschutzklauseln für Gesellschafter

BGH, Urteil vom 20.01.2015 - II ZR 369/13 -

Eine Kundenschutzklausel gegenüber Gesellschaftern darf nicht in zeitlicher Hinsicht das notwendige Maß übersteigen. Dieses beträgt in der regel zwei Jahre. Weicht die Klausel davon ab, ist sie nichtig.

 

Aus den Gründen:

 

Tatbestand

Die Geschäftsführer der Parteien gründeten 2001 die Beklagte, eine GmbH mit Sitz in K.  . Die Niederlassung der Beklagten in H.     betreute der Geschäftsführer der Klägerin. Durch Auseinandersetzungsvertrag vom 29. September 2006 verkaufte der Geschäftsführer der Klägerin seinen Geschäftsanteil an der Beklagten an deren Geschäftsführer. Im Auseinandersetzungsvertrag trat die Beklagte unter der Überschrift „Überleitung von Kundenverträgen“ u.a. Ansprüche aus in einer „Anlage 2“ erfassten Verträgen mit Kunden, die der Niederlassung in H.     zugeordnet waren, an die Klägerin ab. Mit Zustimmung der Kunden sollten diese Verträge auf die Klägerin übergehen. Weiter ist geregelt:

㤠14 Wettbewerb

1. Der Verkäufer oder die a.         H.      [Klägerin] wird ebenfalls gewerblich auf dem Gebiet der Arbeitnehmerüberlassung tätig. Sämtliche Wettbewerbsbeschränkungen zwischen den Parteien oder dem Verkäufer und der a.        K.   [Beklagte] sind durch diesen Vertrag aufgehoben. Zwischen den Parteien besteht Einigkeit dahingehend, dass ein Wettbewerbsschutz nicht vereinbart wird, soweit nicht im folgenden geregelt.

2. Der a.        K.   und dem Erschienenen zu 2 [Geschäftsführer der Beklagten] ist es untersagt, an die Kunden gemäß Anlage 2 im Bereich der Arbeitsüberlassung und Personalvermittlung heranzutreten, diesen Angebote zu unterbreiten oder diese sonst wie abzuwerben, sich an solchen Abwerbungsversuchen durch Dritte zu beteiligen oder dieses zu fördern.

3. Für jeden Verstoß gegen obiges Wettbewerbsverbot hat die Vertragspartei bzw. deren Gesellschaft einen Betrag in Höhe von 50.000 € als Vertragsstrafe zu zahlen, ohne dass es auf den Nachweis eines konkret entstandenen Schadens ankommt. Dieser Betrag ist insgesamt auf 250.000 € p.a. begrenzt. Die Geltendmachung darüber hinausgehender Schadensersatzansprüche ist nicht ausgeschlossen.

4. Das Wettbewerbsverbot gemäß Abs. 1 ist auf 5 Jahre ab Vertragsschluss befristet."

Zum 1. August 2011 stellte die Beklagte einen neuen Mitarbeiter ein. Am 6. September 2011 schrieb dieser eine E-Mail an A.        S.  , am 19. September 2011 an C.    L.     und am 20. September 2011 eine Rundmail an zahlreiche potentielle Kunden, in denen er Leistungen der Beklagten im Arbeitnehmerüberlassungsbereich anbot. Die Beklagte kündigte danach den Anstellungsvertrag des Mitarbeiters fristlos.

Die Klägerin hat mit der Klage von der Beklagten Zahlung von 101.000 € verlangt, weil mit diesen Werbemaßnahmen gegen das Wettbewerbsverbot aus dem Auseinandersetzungsvertrag verstoßen worden sei. Das Landgericht hat die Beklagte zur Zahlung von 5.107,50 € verurteilt. Auf die Berufung der Klägerin hat das Berufungsgericht unter Zurückweisung der weitergehenden Berufung sowie der Anschlussberufung der Beklagten das Urteil des Landgerichts abgeändert und die Beklagte zur Zahlung von 100.007,50 € verurteilt. Dagegen richtet sich die vom Berufungsgericht zugelassene Revision der Beklagten.

Entscheidungsgründe

Die Revision hat Erfolg und führt zur Abweisung der Klage.

I. Das Berufungsgericht hat ausgeführt, die Klägerin habe wegen der an A.      S.  gesandten E-Mail einen Anspruch auf Zahlung einer Vertragsstrafe von 50.000 €, wegen der Kontaktaufnahme des Mitarbeiters mit dem Zeugen C.       L.       von weiteren 50.000 € und wegen der Rundmail von 1.000 €. Dagegen könne die Beklagte hilfsweise mit Anwaltskosten in Höhe von 892,50 € aufrechnen, weil sich die Klägerin vorgerichtlich zu Unrecht eines Gesamtanspruchs von 550.000 € berühmt habe.

Der Mitarbeiter, dessen Handeln sich die Beklagte zurechnen lassen müsse, sei mit diesen E-Mails an Kunden aus der Anlage 2 zur Auseinandersetzungsvereinbarung herangetreten. Auf einen Wegfall der Geschäftsgrundlage oder einen Wegfall des Sicherungsinteresses der Klägerin könne sich die Beklagte nach § 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO nicht berufen. Die Beklagte habe erstmals in der Berufungserwiderung vorgebracht, es sei zwischen den Parteien abgesprochen gewesen, dass die Fünf-Jahres-Frist nicht voll ausgeschöpft werden solle, wenn es der Klägerin vor Ablauf der Frist gelinge, sich auf dem Markt zu etablieren. Eine Sittenwidrigkeit nach § 138 BGB komme weder im Hinblick auf den Umfang des Wettbewerbsverbotes noch im Hinblick auf die vereinbarte Höhe der Vertragsstrafe in Betracht. Die Klägerin könne mit Erfolg geltend machen, dass die Voraussetzungen einer Herabsetzung der verwirkten Vertragsstrafe nach den Grundsätzen von Treu und Glauben nicht vorlägen. Ein Missverhältnis der Höhe der verwirkten Vertragsstrafe zur Bedeutung der Zuwiderhandlungen läge nicht vor. Die Parteien hätten intensiv um die Höhe und konkrete Ausgestaltung der Wettbewerbsabrede und der Vertragsstrafenregelung gerungen. Auch das unmittelbare Bevorstehen des Ablaufens der Fünf-Jahres-Frist führe nicht dazu, dass es unbillig sei, die vertraglich vereinbarte Vertragsstrafe in voller Höhe geltend zu machen. Soweit die Beklagte darauf verweise, dass die Vertragsstrafe angesichts des bevorstehenden Ablaufs der Fünf-Jahres-Frist ihre abschreckende Wirkung nicht mehr entfalten könne, sei dem entgegenzuhalten, dass nicht ersichtlich sei, dass der Abschreckungsgedanke die einzige Motivation für die Vereinbarung der Vertragsstrafe gewesen sei. Die Vorgeschichte lasse auch die Annahme zu, dass die Vertragsstrafe als nachträgliche Sanktionierung für ein vorheriges Fehlverhalten der Beklagten gefordert werden könne.

II. Das Urteil hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand. Das Berufungsgericht hat der Klägerin rechtsfehlerhaft einen Anspruch aus der Vertragsstrafenvereinbarung in § 14 des Auseinandersetzungsvertrags zuerkannt. Die Unterlassungsverpflichtung der Beklagten bestand im September 2011 nicht mehr. Das in § 14 des Auseinandersetzungsvertrags vom 29. September 2006 vereinbarte Ansprech- und Abwerbeverbot überschreitet in zeitlicher Hinsicht mit fünf Jahren die zulässige Grenze von zwei Jahren für Wettbewerbsverbote. Kundenschutzklauseln zwischen einer GmbH und ihren (scheidenden) Gesellschaftern sind nach § 138 BGB sittenwidrig und nichtig, wenn sie in zeitlicher Hinsicht das notwendige Maß übersteigen, das regelmäßig maximal zwei Jahre beträgt.

1. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sind nachvertragliche Wettbewerbsverbote mit Rücksicht auf die grundgesetzlich geschützte Berufsausübungsfreiheit nur dann gerechtfertigt und nicht nach § 138 BGB sittenwidrig, wenn und soweit sie notwendig sind, um einen Vertragspartner vor einer illoyalen Verwertung der Erfolge seiner Arbeit durch den anderen Vertragspartner zu schützen. Sie sind nur wirksam, wenn sie in räumlicher, gegenständlicher und zeitlicher Hinsicht das notwendige Maß nicht überschreiten (BGH, Urteil vom 14. Juli 1997 - II ZR 238/96, WM 1997, 1707, 1708 mwN; Urteil vom 8. Mai 2000 - II ZR 308/98, ZIP 2000, 1337, 1338 f.; Urteil vom 29. September 2003 - II ZR 59/02, ZIP 2003, 2251, 2252; Urteil vom 18. Juli 2005 - II ZR 159/03, ZIP 2005, 1778, 1779; Urteil vom 10. Dezember 2008 - KZR 54/08, NJW 2009, 1751 Rn. 24 - Subunternehmervertrag II; Beschluss vom 31. Mai 2012 - I ZR 198/11, GRUR-RR 2012, 495 Rn. 9 - Kundenschutzklausel). Das betrifft auch nachvertragliche Wettbewerbsverbote, die erst anlässlich der Beendigung der gesellschaftsrechtlichen Beziehung vereinbart werden (BGH, Urteil vom 29. September 2003 - II ZR 59/02, ZIP 2003, 2251, 2252).

2. Die vereinbarte Dauer des Wettbewerbsverbots von fünf Jahren überschreitet das zum Schutz des Geschäftsführers der Klägerin erforderliche Maß.

Mit dem Verbot, die bisherigen Kunden der H.        Niederlassung der Beklagten anzusprechen oder abzuwerben, wurde versucht, die Vermögenswerte der Beklagten wie bei einer Personengesellschaft zwischen ihren Gesellschaftern aufzuteilen, und dem Geschäftsführer der Klägerin die Chance geboten, die von ihm für die Beklagte eingeworbenen Kunden zu behalten und die Kundenbeziehungen mit der Klägerin fortzuführen, also die Erfolge seiner bisherigen Arbeit zu sichern. Von vorneherein war es eine Entscheidung der Kunden, ob sie mit dem Geschäftsführer der Klägerin weiter zusammenarbeiten wollten oder weiter über die fortbestehende H.       Niederlassung mit der Beklagten. Zweck des Abwerbeverbots war es damit, dem ausscheidenden Geschäftsführer der Klägerin zu ermöglichen, ungestört Kunden mitnehmen zu können. Der Geschäftsführer der Klägerin hat danach ein schutzwürdiges Interesse daran, dass sein bisheriger Mitgesellschafter ihm bzw. der von ihm gegründeten Klägerin keine Konkurrenz macht, nur so lange die Beziehungen der Beklagten zu ehemaligen, von ihm übernommenen Kunden noch fortwirken. Nach Ablauf dieser Zeitspanne kann keine Seite ein berechtigtes Interesse an einer fortdauernden Wettbewerbsbeschränkung haben (vgl. BGH, Urteil vom 29. Januar 1996 - II ZR 286/94, NJW-RR 1996, 741, 742).

Für vergleichbare Fälle hat die Rechtsprechung anerkannt, dass eine Wettbewerbsbeschränkung nicht mehr als zwei Jahre nach Vertragsende andauern kann. Bei der Freiberuflersozietät wird ein Zeitraum von zwei Jahren als ausreichend für den Schutz der Interessen der Beteiligten angesehen, weil sich danach die Mandantenbeziehungen typischerweise gelockert haben (BGH, Urteil vom 29. Januar 1996 - II ZR 286/94, NJW-RR 1996, 741, 742 mwN; Urteil vom 8. Mai 2000 - II ZR 308/98, ZIP 2000, 1337, 1338 f.; Urteil vom 29. September 2003 - II ZR 59/02, ZIP 2003, 2251, 2252; Urteil vom 18. Juli 2005 - II ZR 159/03, ZIP 2005, 1778, 1780). Die zeitliche Grenze von zwei Jahren wurde vom Bundesgerichtshof in anderen Bereichen übernommen. Auch ein Abwerbeverbot von Arbeitnehmern darf nur auf zwei Jahre beschränkt sein, wobei offengelassen wurde, ob in einem Ausnahmefall ein schutzwürdiges Interesse eines Unternehmers an einem länger andauernden Abwerbeverbot bestehen kann (BGH, Urteil vom 30. April 2014 - I ZR 245/12, ZIP 2014, 1934 Rn. 35 ff. - Abwerbeverbot).

Bei den Parteien als Kapitalgesellschaften, die gewerbliche Dienstleistungen erbringen, kann grundsätzlich kein längerer Zeitraum gelten. Dass die Parteien nicht freiberuflich tätig sind, sondern ein Gewerbe betreiben, rechtfertigt entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung keine längere Zeitgrenze. Die Begrenzung der Wettbewerbsverbote gründet nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht darin, dass Wettbewerbsverbote mit dem Berufszweck von freien Berufen nicht vereinbar wären, sondern in der grundgesetzlich geschützten Berufsausübungsfreiheit. Diese kommt auch Gewerbetreibenden und Gesellschaftern jedenfalls einer personalistisch geführten GmbH zu. Soweit sie Dienstleistungen anbieten, bestehen hinsichtlich der Kundenbindung nicht von vorneherein Unterschiede zu den Kundenbeziehungen von Freiberuflern. Dass auf dem Markt der Arbeitnehmerüberlassung Besonderheiten bestehen, die eine Kundenbindung typischerweise länger als zwei Jahre fortwirken lässt, ist nicht vorgetragen und nicht ersichtlich.

Ob in Ausnahmefällen eine längere Dauer in Frage kommt, kann dahinstehen, weil ein schutzwürdiges Interesse der Klägerin an einem längeren Abwerbeverbot nicht erkennbar ist.

3. Die durch die Vertragsstrafenvereinbarung gesicherte Unterlassungsverpflichtung der Beklagten bestand zum Zeitpunkt, in dem der Mitarbeiter der Beklagten die E-Mails versandte, nicht mehr. Ein die zeitlichen Schranken übersteigendes Wettbewerbsverbot kann zwar im Wege der geltungserhaltenden Reduktion auf das noch zu billigende zeitliche Maß - hier zwei Jahre - zurückgeführt werden (BGH, Urteil vom 29. Januar 1996 - II ZR 286/94, NJW-RR 1996, 741, 742 mwN; Urteil vom 8. Mai 2000 - II ZR 308/98, ZIP 2000, 1337, 1339; Urteil vom 29. September 2003 - II ZR 59/02, ZIP 2003, 2251, 2252; Urteil vom 18. Juli 2005 - II ZR 159/03, ZIP 2005, 1778, 1780). Im September 2011, als der Mitarbeiter seine E-Mails versandte, waren zwei Jahre seit der Vereinbarung des Wettbewerbsverbots am 29. September 2006 aber bereits verstrichen.