Bank- und Kreditrecht


Bankenhaftung bei Sittenwidrigkeit des Kaufpreises einer Immobilie ?

BGH, Beschluss vom 08.01.2019 - XI ZR 535/17 -

Kurze Inhaltsangabe:

 

Die beklagte Bank finanzierte eine von den Klägern 2008 erworbene Eigentumswohnung.  Die war 22qm groß und hatte einen Kaufpreis von € 33.900,00 zu 100% bei einem Zinssatz von 1,5%; sie war vermietet und nach Angaben der Verkäuferin betrug die Nettokaltmiete € 5,11/qm. Aufgrund Leerstandes erzielten die Kläger keine Mieteinnahmen.

 

2010 verlangten die Kläger von der Verkäuferin die Rückabwicklung des Kaufvertrages. Die Klage war erfolgreich, da die Wohnung nach einem vom Landgericht eingeholten Sachverständigengutachten lediglich einen Verkehrswert von € 10.500,00 habe und damit der Kaufpreis in sittenwidriger Weise überhöht gewesen sei. Die Verkäuferin meldete Insolvenz an.

 

Mit der Klage gegen die Beklagte begehrten die Kläger die Rückzahlung des von ihnen bis dahin auf das Darlehen Betrages von € 18.765,24. Das Landgericht wies die Klage ab. Die Berufung der Kläger zum Kammergericht (KG) war erfolgreich. Dabei stütze sich das KG auf ein eingeholtes Gutachten, nah dem nach der von diesem zugrunde gelegten Vergleichswertmethode der Verkehrswert € 20.600,00 betrage, was aber nicht überzeugend sei, da es an der notwendigen Vergelcihbarkeit einer entsprechenden Anzahl von Objekten ermangele. Der Sachverständige habe den Ertragswert mit € 12.072,00 ermittelt, und daraus sei ein Mittwelt zu bilden, weshalb eine Überteuerung eine Überteuerung von 90% anzunehmen sei.

 

 Auf die Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten  hob der BGH das Urteil des OLG auf und verwies den Rechtsstreit zurück.

 

Rechtsfehlerfrei sei das KG davon ausgegangen, dass eine Bank ausnahmsweise eine Aufklärungspflicht über die Unangemessenheit des von ihr finanzierten Kaufpreises unter dem rechtlichen Gesichtspunkt eines Wissensvorsprungs träfe, wenn eine so wesentliche Verschiebung der Relation zwischen Kaufpreis und Verkehrswert vorläge, dass die Bank von einer sittenwidrigen Übervorteilung des Käufers durch den Verkäufer ausgehen müsse (BGH, Urteile vom 16.02.2006 - XI ZR 6/04 -, vom 19.06.2010 - XI ZR 145/14 - und vom 18.10.2016 - XI ZR 145/14 -).  Dies sei bereits  anzunehmen, wenn der Kaufpreis (ohne Berücksichtigung von darin enthaltenen Nebenkosten) knapp doppelt so hoch sei wie der Verkehrswert.

 

Vorliegend habe allerdings das KG das rechtliche Gehör (Art. 103 GG) der Beklagten verletzt, da es vorliegend von der Beurteilung des beauftragten Sachverständigen abwich, demzufolge der Verkehrswert der Wohnung sachgerecht nach dem Vergleichswertverfahren zu ermitteln sei, ohne ein weiteres Gutachten nach § 412 Abs. 1 ZPO einzuholen und ohne Nachweis eigener Sachkunde eine eigene Wertermittlung vorgenommen habe, zumal es, wenn es eigene Sachkunde für sich in Anspruch nähme, die Parteien vorher darauf hinweisen müsse, was nicht erfolgt sei. Das rechtliche Gehör der Beklagten sei verletzt worden, da das KG bei der Wertermittlung einen Mittelwert von Vergleichswert und Ertragswert angenommen habe.

 

Die Auswahl der  geeigneten Wertermittlungsmethode stünde, wenn nicht das Gesetz ein bestimmtes Verfahren vorsieht, im Ermessen des Tatrichters. Allerdings sei es unzulässig, schematisch einen rechnerischen Mittelwert zwischen Vergleichswert und Ertragswert zu bilden (BGH, Urteil vom 13.07.2970 - VII ZR 189/68 -).

 

Wenn, wie hier, der gerichtlich bestellte Sachverständige die Voraussetzungen für eine verlässliche Verkehrswertermittlung nach Vergleichswerten bekundet, könne das Gericht nicht an dem Ergebnis vorbeigehen, auch wenn eine andere Wertermittlungsmethode zu einem deutlich anderen Ergebnis führe. Dies gelte insbesondere dann, wenn es um die Frage der Sittenwidrigkeit gehen würde, da nach der Rechtsprechung würde auf der objektiven Grundlage eines besonderen Missverhältnisses den Schluss auf das subjektive Unrechtsmerkmal der verwerflichen Gesinnung ziehen. Hierfür sei aber keine Grundlage gegeben, wenn der direkte Vergleich mit dem maßgeblichen Markt, den die Auswertung der tatsächlich erzielten Preise bei Vorliegen hinreichenden Vergleichsmaterials leiste, zur Verneinung eines besonderen Missverhältnisses führe (BGH, Urteil vom 02.07.2004 – V ZR 213/03 -).

 

 

Damit würden die Ausführungen des Landgerichts zu der die Aufklärungspflicht auslösenden Kenntnis auch das rechtliche Gehör der Beklagten verletzen. Eine positive Kenntnis der Bank von der sittenwidrigen Überteuerung sei erforderlich, ohne dass die Bank eigene Nachforschungen betreiben müsse. Sie sei also nicht verpflichtet, zu Vermeidung etwaiger eigener Risiken sich einen (dann zu offenbarenden) Wissensvorsprung zu verschaffen. Ausnahmsweise stünde die bloße Erkennbarkeit einer aufklärungsbedürftigen Tatsache der positiven Kenntnis dann gleich, wenn sich einem zuständigen Bankenmitarbeiter dies nach den Umständen des Einzelfalls aufdrängen müsse, da er nicht berechtigt sei, seine Augen vor solchen Tatsachen zu verschließen. Schon danach sei der Ausgangspunkt der Erwägungen des KG zur monatlichen Bruttokaltmiete falsch, die Bank hätte eine einfache Überschlagsrechnung zum Ertragswert durchführen müssen, woraus sich bereits die Sittenwidrigkeit des Kaufpreises hätte aufdrängen müssen, da dies eine Art der nicht notwendigen Nachforschung darstelle. Wertermittlungen, die die Bank im eigenen Interesse vornähme, würden den Beleihungswert betreffen, um so die Realisierung ihrer Forderung im Falle einer Zwangsversteigerung einschätzen zu können. Eine Kontrolle dieser internen Bewertung anhand der prognostizierten Erträge schulde weder die Bank noch der Verkäufer. Die Bank träfe nicht die Verpflichtung den Käufer auf eine Unwirtschaftlichkeit hinzuweisen.

 

Aus den Gründen:

 

Tenor

 

Auf die Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten wird das Urteil des 24. Zivilsenats des Kammergerichts in Berlin-Schöneberg vom 31. Juli 2017 aufgehoben.

 

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

 

Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren beträgt bis zu 40.000 €.

 

Gründe

 

I.

 

Die Kläger machen gegenüber der beklagten Bank Schadensersatzansprüche im Zusammenhang mit dem von ihr finanzierten Erwerb einer Eigentumswohnung geltend.

 

Mit notarieller Urkunde vom 10. Juli 2008 boten die Kläger der H. KG (im Folgenden: Verkäuferin) den Kauf einer 22 qm großen Eigentumswohnung in dem Objekt F. -Straße    in N.   im V.   zu einem Kaufpreis von 33.900 € an. Gemäß § 5 des Kaufangebots war die Wohnung vermietet; die monatliche Nettokaltmiete hatte die Verkäuferin mit 5,11 €/qm angegeben und für zwei Jahre garantiert. Die Verkäuferin nahm das Angebot der Kläger mit notarieller Urkunde vom 8. August 2008 an.

 

Zur Finanzierung des Erwerbes der Wohnung schlossen die Kläger mit der Beklagten am 4./11. Dezember 2008 einen Darlehensvertrag über 33.900 € mit einer anfänglichen Tilgung von 1,5% jährlich und einer monatlichen Annuität von 203,97 €. In der Folgezeit leisteten die Kläger an die Beklagte auf das Darlehen bis einschließlich August 2016 insgesamt 18.765,24 €. Aufgrund Leerstands der Wohnung erzielten sie keine Mieteinnahmen.

 

Im Jahr 2010 nahmen die Kläger die Verkäuferin vor dem Landgericht Leipzig auf Rückabwicklung des Kaufvertrags mit Erfolg in Anspruch, weil nach einem dort eingeholten Sachverständigengutachten der Verkehrswert der Wohnung im Jahr 2008 nur 10.500 € betragen habe und der Kaufpreis daher in sittenwidriger Weise überhöht gewesen sei. Die Verkäuferin meldete Insolvenz an.

 

Mit der Klage begehren die Kläger von der Beklagten die Rückzahlung der an die Beklagte auf die Darlehen geleisteten Zahlungen von 18.765,24 € nebst Zinsen und die Feststellung, dass weitere Ansprüche gegen sie aus dem Darlehensvertrag nicht bestünden und weitergehende Zahlungen an sie zurückzuzahlen seien, jeweils Zug um Zug gegen Übereignung der Eigentumswohnung, sowie ferner die Feststellung, dass die Beklagte ihnen zum Ausgleich des weiteren Vermögensschadens verpflichtet sei, soweit dieser im Zusammenhang mit dem Erwerb der Eigentumswohnung stehe, und die Feststellung, dass sich die Beklagte hinsichtlich der Annahme des Übereignungsantrags in Annahmeverzug befinde. Zur Begründung berufen sie sich auf einen ihnen zustehenden Schadensersatzanspruch wegen einer Aufklärungspflichtverletzung der Beklagten. Der Kaufpreis der Wohnung sei in sittenwidriger Weise überhöht gewesen, was der Beklagten bekannt gewesen sei.

 

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die dagegen gerichtete Berufung der Kläger hat das Berufungsgericht der Klage stattgegeben und dies - soweit hier von Interesse - im Wesentlichen wie folgt begründet:

 

Den Klägern stehe gegen die Beklagte der geltend gemachte Schadensersatzanspruch aus § 311 Abs. 2, § 241 Abs. 2, § 280 Abs. 1 BGB wegen einer Aufklärungspflichtverletzung der Beklagten zu. Der Kaufpreis für die Eigentumswohnung sei sittenwidrig überhöht gewesen. Dies habe die Beklagte auch erkannt, jedenfalls habe sie vor einer sich ihr evident aufdrängenden sittenwidrigen Kaufpreisüberhöhung die Augen verschlossen.

 

Nach dem Ergebnis der durchgeführten Beweisaufnahme habe der Verkehrswert der Wohnung zum Erwerbszeitpunkt nicht mehr als 17.842,10 € betragen, so dass der Kaufpreis 90% höher gelegen habe. Zwar habe die gerichtlich beauftragte Sachverständige den Verkehrswert mit 20.600 € bewertet. Dies sei aber ausschließlich auf Grundlage des von der Sachverständigen ermittelten Vergleichswerts geschehen, d.h. insbesondere ohne Berücksichtigung des wesentlich niedrigeren Ertragswerts. Die Bestimmung des Verkehrswerts nach der Vergleichswertmethode setze jedoch voraus, dass sich eine aussagekräftige Menge von Vergleichspreisen hinreichend verlässlich ermitteln lasse. Daran bestünden aber gewichtige Zweifel. Der streitgegenständlichen Wohnung vergleichbare Objekte (Wohneigentum in Mehrfamilienhaus, Baujahr um 1900, sanierter Altbau, Erstverkauf, Verträge aus den Jahren 2008 und 2009, ca. 22 qm Wohnfläche, Gemarkung N. oder vergleichbar) ließen sich der Kaufpreissammlung des Gutachterausschusses für Grundstückswerte im V.  nicht entnehmen. Die im Sachverständigengutachten aufgeführten Vergleichswohnungen seien durchweg größer (47 bis 63 qm) oder Weiterverkäufe gewesen. Der - unter Berücksichtigung eines Abschlags von 30% wegen der am Wertermittlungsstichtag schon 10-12 Jahre zurückliegenden Sanierung - ermittelte Vergleichswert von 937 €/qm bewege sich an der oberen Grenze der Preisspanne für den Weiterverkauf von Wohnungseigentum im V.  . Dies sei für das streitgegenständliche Objekt mit einer mittleren Wohn- und schlechten Geschäftslage in einer kleinen Gemeinde mit seit 1990 stetig schrumpfender Einwohnerzahl nicht gerechtfertigt.

 

Den Ertragswert habe die Sachverständige dagegen nachvollziehbar und überzeugend mit 12.072 € ermittelt, was einem Mittelwert der Preisspanne für den Weiterverkauf von Wohnungseigentum im V.          entspreche. Insoweit habe die Sachverständige nicht überzeugend begründen können, weshalb dieser Wert durch einen Marktanpassungsfaktor von 45% auf gerundet 17.500 € erhöht werden müsse.

 

Da der Vergleichswert nur auf einer vergleichsweise "schmalen" Basis zu ermitteln sei, sei es bei der Verfahrenswahl geboten, eine Mittelung des Vergleichswerts und des Ertragswerts vorzunehmen. Dies führe zu einem Verkehrswert von 16.346,50 €. Der Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens nach § 412 Abs. 1 ZPO bedürfe es nicht, weil das eingeholte Gutachten eine ausreichende Erkenntnisgrundlage vermittele. Der Verkehrswert werde von dem Kaufpreis um 107,38% überschritten und liege damit objektiv im sittenwidrigen Bereich.

 

Der Beklagten habe sich die Kenntnis von diesem Umstand auch aufdrängen müssen. Die von ihr vorgenommene Beleihungswertermittlung mit Hilfe des Online-Tools "Wertweiser" habe einen Vergleichswert von 26.400 € ergeben, zugleich aber auch einen Ertragswert von lediglich 8.450 €. Bereits das arithmetische Mittel beider Werte führe mit 17.425 € in den sittenwidrigen Bereich. Darüber hinaus habe sie gewusst, dass der Mietertrag weder der Angabe im Kaufvertrag (5,11 €/qm) noch dem Wertweiser-Wert (4,10 €/qm) entsprochen habe, sondern ausweislich der Finanzierungsanfrage tatsächlich nur 4 €/qm betragen habe. Ungeachtet dessen habe die Beklagte auch von dem Leerstand der Wohnung gewusst. Schließlich habe die Beklagte - unstreitig - auch sämtliche anderen fünf Verkaufsfälle der Verkäuferin in N.         im Jahr 2008 finanziert, so dass ihr bewusst gewesen sein müsse, dass der in der Beleihungswertermittlung ausgewiesene Vergleichswert durch überhöhte Kaufpreise aus diesen Erwerbsvorgängen verzerrt gewesen sei. Dem könne nicht entgegengehalten werden, dass eine finanzierende Bank keine Nachforschungen zu den von ihr zu finanzierenden Vorhaben anstellen müsse; denn vorliegend habe es keiner Nachforschungen bedurft, weil der Beklagten die sich aus der Ertragswertmethode resultierende Wertverzerrung positiv bekannt gewesen sei. Aufgrund dieses Missverhältnisses habe die Beklagte auf den mit einem automatisierten Verfahren gewonnenen Vergleichswert nicht vertrauen dürfen. Dies gelte jedenfalls im vorliegenden Fall, bei dem die Beklagte auch sämtliche anderen Verkaufsfälle der Verkäuferin in einer so kleinen Stadt wie N. finanziert habe.

 

Hiergegen wendet sich die Beklagte mit der Nichtzulassungsbeschwerde.

 

II.

 

Die Nichtzulassungsbeschwerde hat Erfolg und führt gemäß § 544 Abs. 7 ZPO i.V.m. § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Fall 2 ZPO zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht. Die Begründung, mit der das Berufungsgericht eine sittenwidrige Überteuerung des Immobilienerwerbs und in der Folge eine Verletzung der entsprechenden Hinweispflicht der Beklagten bejaht hat, kann keinen Bestand haben. Insoweit verletzt der angegriffene Beschluss den Anspruch der Beklagten auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG (vgl. Senatsbeschlüsse vom 11. Mai 2004 - XI ZB 39/03, BGHZ 159, 135, 139 f. und vom 20. Oktober 2015 - XI ZR 532/14, WM 2015, 2279 Rn. 9).

 

1. Rechtsfehlerfrei ist das Berufungsgericht allerdings davon ausgegangen, dass eine Bank ausnahmsweise eine Aufklärungspflicht über die Unangemessenheit des von ihr finanzierten Kaufpreises unter dem rechtlichen Gesichtspunkt eines Wissensvorsprungs trifft, wenn eine so wesentliche Verschiebung der Relation zwischen Kaufpreis und Verkehrswert vorliegt, dass die Bank von einer sittenwidrigen Übervorteilung des Käufers durch den Verkäufer ausgehen muss (vgl. Senatsurteile vom 16. Mai 2006 - XI ZR 6/04, BGHZ 168, 1 Rn. 47, vom 29. Juni 2010 - XI ZR 104/08, BGHZ 186, 96 Rn. 17 und vom 18. Oktober 2016 - XI ZR 145/14, BGHZ 212, 286 Rn. 19 mwN). Das ist anzunehmen, wenn der Verkaufspreis knapp doppelt so hoch ist wie der Verkehrswert der Wohnung, wobei die im Kaufpreis enthaltenen Nebenkosten nicht in den Vergleich einzubeziehen sind (Senatsurteil vom 18. Oktober 2016 aaO mwN).

 

2. Mit Erfolg macht die Nichtzulassungsbeschwerde eine Verletzung des Anspruchs der Beklagten auf rechtliches Gehör hinsichtlich der vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen zu einer sittenwidrigen Überteuerung des Kaufpreises der Immobilie geltend, weil das Berufungsgericht von der Beurteilung des gerichtlich beauftragten Sachverständigen, der Verkehrswert der streitgegenständlichen Wohnung sei sachgerecht anhand des Vergleichswertverfahrens zu ermitteln, abgewichen ist und ohne Einholung eines weiteren Gutachtens nach § 412 Abs. 1 ZPO und ohne Nachweis seiner eigenen besonderen Sachkunde eine eigene Wertermittlung vorgenommen hat. Zudem muss das Gericht, wenn es bei seiner Entscheidung eigene Sachkunde in Anspruch nehmen will, den Parteien zuvor einen entsprechenden Hinweis erteilen (vgl. nur BGH, Beschlüsse vom 13. Januar 2015 - VI ZR 204/14, NJW 2015, 1311 Rn. 5 mwN und vom 8. März 2016 - VI ZR 243/14, juris Rn. 12). Daran fehlt es hier.

 

a) Die Würdigung, ob ein Rechtsgeschäft gegen die guten Sitten verstößt, ist eine Rechtsfrage, die der Nachprüfung im Wege der Revision unterliegt (vgl. Senatsurteile vom 3. Dezember 2013 - XI ZR 295/12, WM 2014, 71 Rn. 23 und vom 12. April 2016 - XI ZR 305/14, BGHZ 210, 30 Rn. 36). Demgegenüber können aber die dieser Würdigung zugrunde liegenden tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts - hier zum Wert der Immobilie im Zeitpunkt des Erwerbs - im Nichtzulassungsbeschwerde- und Revisionsverfahren nur eingeschränkt überprüft werden (vgl. Senatsurteil vom 18. Oktober 2016 - XI ZR 145/14, BGHZ 212, 286 Rn. 21 mwN).

 

b) Dieser Überprüfung hält die Entscheidung des Berufungsgerichts nicht stand. Es hat den Anspruch der Beklagten auf rechtliches Gehör verletzt, indem es bei der Ermittlung des Wertes der von den Klägern erworbenen Wohnung von der Anwendung des Vergleichswertverfahrens abgesehen und stattdessen einen Mittelwert von Vergleichswert und Ertragswert festgesetzt hat.

 

aa) Die Auswahl der geeigneten Wertermittlungsmethode zur Feststellung des tatsächlichen Wertes einer Immobilie steht nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, wenn das Gesetz nicht die Anwendung eines bestimmten Verfahrens anordnet, im pflichtgemäßen Ermessen des Tatrichters (Senatsurteile vom 18. Dezember 2007 - XI ZR 324/06, WM 2008, 967 Rn. 32 mwN und vom 18. Oktober 2016 - XI ZR 145/14, BGHZ 212, 286 Rn. 31). Die Methodenwahl ist unter Berücksichtigung der im gewöhnlichen Geschäftsverkehr bestehenden Gepflogenheiten und sonstiger Umstände des Einzelfalles zu treffen; sie ist zu begründen. Lässt sich eine aussagekräftige Menge von Vergleichspreisen verlässlich ermitteln, wird die Vergleichswertmethode als die einfachste und zuverlässigste Methode angesehen; sie steht deshalb bei Wohnungseigentum im Vordergrund (Senatsurteile aaO).

 

bb) Zu Recht rügt die Nichtzulassungsbeschwerde, dass das Berufungsgericht die von dem Sachverständigen gewählte Wertermittlungsmethode gegen eine andere ausgetauscht hat, ohne, was hierzu Voraussetzung gewesen wäre, seine eigene besondere Sachkunde auszuweisen, insbesondere einleuchtend und nachvollziehbar aufzuzeigen, dass seine abweichende Beurteilung nicht auf einem Mangel an Sachkunde beruht (BGH, Urteil vom 2. Juli 2004 - V ZR 213/03, BGHZ 160, 8, 11 mwN). Der Hinweis des Berufungsgerichts auf die vergleichsweise "schmale" Basis für die Ermittlung des Vergleichswerts bietet keine Grundlage für dessen Meinung, bei Wohnungseigentum, das - wie hier - der Kapitalanlage und der Steuerersparnis dient, den Verkehrswert durch einen Mittelwert von Vergleichs- und Ertragswert zu bestimmen. Die Vorgehensweise des Berufungsgerichts, einen schematischen rechnerischen Mittelwert aus Vergleichswert und Ertragswert zu bilden, ist unzulässig (vgl. BGH, Urteil vom 13. Juli 1970 - VII ZR 189/68, NJW 1970, 2018 f.).

 

Liegen - wie hier nach den Bekundungen des gerichtlich bestellten Sachverständigen - die Voraussetzungen für eine verlässliche Verkehrswertermittlung nach Vergleichspreisen vor, kann auch dann, wenn eine andere Wertermittlungsmethode zu einem deutlich abweichenden Ergebnis führt, an dem durch Vergleich ermittelten Ergebnis nicht vorbeigegangen werden. Dies gilt insbesondere, wenn es um die Frage der Sittenwidrigkeit geht. Die Rechtsprechung lässt auf der objektiven Grundlage eines besonders groben Missverhältnisses von Leistung zu Gegenleistung den Schluss auf das - für das Unwerturteil des § 138 Abs. 1 BGB unerlässliche (BGH, Urteil vom 19. Juli 2002 - V ZR 240/01, WM 2003, 154, 155 f.) - subjektive Unrechtsmerkmal der verwerflichen Gesinnung zu. Hierfür ist aber keine Grundlage gegeben, wenn der direkte Vergleich mit dem maßgeblichen Markt, den die Auswertung der tatsächlich erzielten Preise bei Vorliegen hinreichenden Vergleichsmaterials leistet, zur Verneinung eines besonders groben Missverhältnisses führt. Der Verkäufer, dessen Preis im Rahmen vergleichbarer Verkaufsfälle verbleibt, muss sich nicht entgegenhalten lassen, ihm sei eine außergewöhnliche Gegenleistung zugestanden worden (vgl. BGH, Urteil vom 2. Juli 2004 - V ZR 213/03, BGHZ 160, 8, 15).

 

3. Aufgrund dessen verletzen auch die Ausführungen des Berufungsgerichts zu der eine Aufklärungspflicht auslösenden Kenntnis der Beklagten von einem groben Missverhältnis zwischen Kaufpreis und Verkehrswert der finanzierten Immobilie den Anspruch der Beklagten auf rechtliches Gehör. Sie sind auch im Übrigen rechtsfehlerhaft.

 

a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs muss ein Kreditinstitut nur präsentes Wissen von einer sittenwidrigen Überteuerung offenbaren. Das erfordert grundsätzlich positive Kenntnis der Bank von der sittenwidrigen Überteuerung des Kaufpreises für das finanzierte Objekt. Die Bank ist mithin nicht verpflichtet, sich durch eigene Nachforschungen hinsichtlich etwaiger Risiken des zu finanzierenden Vorhabens einen Wissensvorsprung zu verschaffen (Senatsurteile vom 18. November 2003 - XI ZR 322/01, WM 2004, 172, 173 mwN und vom 18. Oktober 2016 - XI ZR 145/14, BGHZ 212, 286 Rn. 34 mwN). Ausnahmsweise steht die bloße Erkennbarkeit von aufklärungspflichtigen Tatsachen - wie hier der sittenwidrigen Überteuerung eines Wohnungskaufpreises - der positiven Kenntnis dann gleich, wenn sich diese einem zuständigen Bankmitarbeiter nach den Umständen des Einzelfalls aufdrängen musste; er ist dann nach Treu und Glauben nicht berechtigt, seine Augen vor solchen Tatsachen zu verschließen (Senatsurteile vom 7. April 1992 - XI ZR 200/91, WM 1992, 977, vom 10. Dezember 2013 - XI ZR 508/12, WM 2014, 124 Rn. 21 und vom 18. Oktober 2016 aaO).

 

b) Danach ist bereits der Ausgangspunkt der Erwägungen des Berufungsgerichts rechtsfehlerhaft, die Beklagte habe anhand ihr vorliegender Angaben zur monatlichen Bruttokaltmiete für die zu finanzierende Eigentumswohnung eine einfache Überschlagsrechnung des Ertragswerts durchführen müssen, aus deren Ergebnis sich ihr sodann die Sittenwidrigkeit des vereinbarten Kaufpreises aufgedrängt hätte. Da eine finanzierende Bank keine Nachforschungen zu einem von ihr finanzierten Vorhaben anstellen muss, ist sie auch nicht zur Ermittlung des - exakten oder überschlägigen - Ertragswerts einer Immobilie verpflichtet (vgl. Senatsurteil vom 18. Oktober 2016 - XI ZR 145/14, BGHZ 212, 286 Rn. 35). Wertermittlungen, die Banken im eigenen Interesse vornehmen, betreffen den Beleihungswert, den die Bank klärt, um die Realisierung ihrer Ansprüche im Falle einer künftigen Zwangsvollstreckung abzuschätzen. Eine Kontrolle dieser internen Bewertung anhand der prognostizierten Erträge des Darlehensnehmers aus der finanzierten Immobilie schuldet weder der Verkäufer noch die finanzierende Bank (vgl. Senatsurteile vom 18. Dezember 2007 - XI ZR 324/06, WM 2008, 967 Rn. 35 und vom 18. Oktober 2016 aaO Rn. 36).

 

4. Das Berufungsurteil beruht auf der Gehörsverletzung. Diese Voraussetzung ist schon dann erfüllt, wenn nicht ausgeschlossen werden kann, dass das Gericht bei Berücksichtigung des übergangenen Vorbringens anders entschieden hätte (vgl. BVerfGE 7, 95, 99; 60, 247, 250; 62, 392, 396; 65, 305, 308; 89, 381, 392 f.). Dies ist der Fall, weil das Berufungsgericht seiner Entscheidung keinen weiteren selbständig tragenden Gesichtspunkt zugrunde gelegt hat, der eine Haftung der Beklagten wegen einer vorvertraglichen Aufklärungspflichtverletzung begründen könnte. Insbesondere bestand keine Verpflichtung der Beklagten, die Kläger auf ein bloß ungünstiges Verhältnis von Verkehrswert und Kaufpreis hinzuweisen, und zwar unabhängig davon, ob die Beklagte dazu über Erkenntnisse verfügte. Schon der Verkäufer muss im Regelfall darauf nicht hinweisen. Erst recht trifft die Bank, die nur die Finanzierung übernimmt, vorvertraglich keine Verpflichtung, den Käufer auf einen für ihn unwirtschaftlichen Kauf hinzuweisen (vgl. Senatsurteile vom 16. Mai 2006 - XI ZR 6/04, BGHZ 168, 1 Rn. 47, vom 3. Juni 2008 - XI ZR 131/07, WM 2008, 1394 Rn. 25 und vom 10. Dezember 2013 - XI ZR 508/12, WM 2014, 124 Rn. 26).