Tierhalter- und Tierhüterhaftung


Mittelbare Verursachung des Schadens für Tierhalterhaftung ausreichend

OLG Frankfurt, Urteil vom 18.01.2023 - 4 U 249/21 -

Kurze Inhaltsangabe (mit ergänzendem Ausführungen):

 

Die Klägerin stand auf der unteren Treppenstufe, um mit einem Besen Schnee von der Treppe zu fegen. Dabei sah sie, wie sich der Hund des Beklagten auf ihre Katze stürzte und diese am Kopf packte. Dies veranlasste sie, mit dem Besen zu den Tieren zu eilen, um mit dem Besen den Hund (den sie gut kannte) zu vertreiben. Aufgrund der winterlichen Glätte stürzte sie. Zwar stand sie wieder auf, stürzte aber danach gleich wieder, wobei streitig ist, ob sie stürzte, da der Hund sie streifte, oder aus sonstigen Gründen. Sie zog sich Verletzungen zu. Das Landgericht wies die Klage ab, da sich keine spezifische Tiergefahr verwirklicht habe. Auf die Berufung der Klägerin änderte das Oberlandesgericht (OLG) das landgerichtliche Urteil nach Anhörung der Parteien ab, gab der Klage dem Grunde nach statt, stellte fest, dass der Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin den materiellen und immateriellen Schaden aus dem Vorfall zu ersetzen und verwies im Übrigen den Rechtsstreit an das Landgericht zurück.

 

Das OLG ging von dem von der Klägerin geschilderten Sachverhalt zu Geschehensablauf aus, den der Beklagte nicht habe sehen können.

 

Nach § 833 S. 1 BGB hafte der Tierhalter für einen Schaden, den ein Dritter „durch“ das Tier erleide. Es handele sich um eine verschuldensunabhängige Haftung (Gefährdungshaftung, ähnlich § 7 StVG), die nicht nur dann bestünde, wenn eine unmittelbare Verletzung durch ein Tier erfolge (z.B. durch Beißen), sondern bereits dann, wenn eine Verletzung adäquat kausal auf ein Tierverhalten zurückzuführen sei. Ein mittelbarer Zusammenhang oder eine Mitverursachung sei für die Haftung nach § 833 S. 1 BGB ausreichend.

 

Diese Rechtsansicht des OLG ist zutreffend und basiert auf gefestigter Rechtsprechung. So hat bereits das Rechtsgericht in seiner Entscheidung vom 20.02.1902 - VI. 399/01 - (RGZ 50, 2018, 221 f) den ausgeführt, dass n Ansehung der Angabe im Gesetz „durch ein Tier“ eine mittelbare Verursachung genügt, wenn ein kausaler Zusammenhang bestünde. Dem folgte z.B. auch das OLG Hamm mit Urteil vom 19.05.1980 - 13 U 61/80 - (ein Hund sprang auf einen Vorbeigehenden zu, der sich erschrak und deshalb stürzte) und das OLG Saarbrücken mit Urteil vom 17.01.2006 - 4 U 615/04 - (mehrere Pferde blockierten die Fahrbahn, mit einem Pferd kollidierte der dabei getötete Motorradfahrer, wobei es das OLG für ausreichend hielt, dass eines der blockierenden Pferde das des dortigen Beklagten war, da die Blockade ursächlich war), ferner der BGH in seinem in VersR 1967, 67 veröffentlichten Urteil, bei dem es zur Kollision mit einer Kuh kam, die einer Herde ausgebrochener Kühe angehörte, und eine Haftung des Tierhalters bejaht, obwohl der Motorradfahrer nicht durch den Sturz im Zusammenhang mit der Kollision mit einer tödlich verursachet, sondern wegen eines Fahrfehlers eines Lkw, der ihn überrollte).

 

Für den zur Entscheidung durch das OLG stehenden Vorgang nahm dieses einen mittelbaren Zusammenhang zutreffend an. Die Klägerin sei erst durch den Angriff des Hundes auf ihre Katze dazu veranlasst worden, dieser zu Hilfe zu eilen. Es merkte an (was im Rahmen des Mitverschuldens zu prüfen ist), dass es wohl von der Klägerin unklug gewesen sei. Sich trotz der winterlichen Verhältnisse schnell auf die Tiere zuzubewegen, doch sei zu berücksichtigen, dass sie ohne nähere Überlegung zu den Gefahren eines eventuell glatten Bodens zulief, da ein Vertreiben des Hundes mit dem Besen wesentlich erfolgversprechender schien als ein bloßes Zurufen. Die Reaktion der Klägerin sei kausal durch das Verhalten des Hundes des Beklagten herausgefordert worden.

  

Das OLG ließ es auch dahinstehen, ob sich die Klägerin die Verletzungen bereits bei dem ersten Sturz oder bei dem zweiten Sturz zuzog, auch, ob für den zweiten Sturz ursächlich ein Streifen des Hundes war. Der zweite Sturz habe jedenfalls im unmittelbaren Zusammenhang mit dem ersten Sturz gestanden; wäre die Klägerin nicht durch das Verhalten des Hundes zum Eingreifen veranlasst worden und dabei gestürzt, wäre sie auch nicht beim Aufstehen zum zweiten Mal gestürzt.

 

 Aus dem Inhalt:

 

 Tenor

 

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Landgerichts Gießen vom 26.8.2021, 2 O 623/20, abgeändert:

Der Klageantrag zu 1) wird dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt.

Es wird festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin sämtliche materiellen Schäden und nicht vorhersehbare immateriellen Schäden aus dem Unfallgeschehen vom 13.1.2017 auf dem Grundstück der Klägerin zu ersetzen, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

 

I.

 

Die Klägerin begehrt Zahlung eines Schmerzensgeldes sowie die Feststellung der Einstandspflicht für materielle und nicht vorhersehbare immaterielle Schäden wegen eines Vorfalls vom 13.1.2017. Sie macht geltend, wegen eines Verhaltens des Hundes des Beklagten gestürzt zu sein und sich dabei langwierige Verletzungen an Hand- und Kniegelenk zugezogen zu haben.

 

Wegen des Sachverhaltes im Einzelnen und der erstinstanzlich gestellten Anträge wird gem. § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf den Tatbestand des landgerichtlichen Urteils Bezug genommen.

 

Das Landgericht hat nach Anhörung der Parteien und Vernehmung zweier Zeugen die Klage abgewiesen.

 

Zur Begründung hat es ausgeführt, es stehe nicht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass der Unfall der Klägerin auf eine spezifische Tiergefahr im Sinne des § 833 BGB zurückzuführen sei. Die Aussagen der Klägerin und des Beklagten seien nicht frei von Belastungs- bzw. Entlastungstendenzen gewesen. Auch wenn man dem Vortrag der Klägerin folge, mangele es jedenfalls an der Kausalität des Hundeverhalten. Es liege hier ein Herausforderungsfall vor, nach dessen Grundsätzen eine Zurechnung entfalle, wenn die selbstschädigende Reaktion vernünftigerweise nicht veranlasst gewesen sei oder die in Kauf genommenen Risiken außer Verhältnis zu der Tiergefahr standen. Vorliegend habe die Klägerin selbst geschildert, dass sie letztlich die Tiere durch lautes Rufen habe auseinanderbringen können. Die Klägerin sei durch die Tiergefahr nicht dazu veranlasst gewesen, sich zu den Tieren zu bewegen. Sie habe durch ihr Einschreiten bewusst das Risiko in Kauf genommen, aufgrund der Bodenglätte zu stürzen.

 

Gegen das ihr am 2.9.2021 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 4.10.2021, einem Montag, Berufung eingelegt und diese innerhalb verlängerter Frist am 2.12.2021 begründet.

 

Sie verfolgt ihr erstinstanzliches Klagebegehren in vollem Umfang weiter.

 

Der Beklagte habe zum tatsächlichen Hergang schon deshalb keine Angaben machen können, weil ihm wegen eines Giebels die Sicht versperrt gewesen sei und er daher das Hinterherjagen seines Hundes hinter der Katze nicht habe erkennen können.

 

Soweit das erstinstanzliche Gericht davon ausgegangen sei, dass auch bei Zugrundelegung des Vortrags der Klägerin eine Kausalität nach § 833 BGB nicht bejaht werden könne, verkenne das Gericht, dass ein tierisches Verhalten nicht die einzige Ursache eines Schadensereignisses sein müsse, sondern dass die bloße Mitverursachung genüge. Ein mittelbarer ursächlicher Zusammenhang liege vor, wenn ein Mensch durch das Verhalten eines Tieres in Angst und Schrecken versetzt werde und infolgedessen stürze und sich verletze. Der Zurechnungszusammenhang sei erst dann unterbrochen, wenn die Reaktion des Betroffenen als nicht mehr durch das Gebaren des Tieres verursacht angesehen werden könne, weil sie völlig ungewöhnlich und damit durch das haftungsbegründende Ereignis nicht mehr herausgefordert sei. Dies sei hier nicht der Fall.

 

Die Klägerin habe glaubhaft und glaubwürdig geschildert, dass sie auf der letzten unteren Treppenstufe gestanden habe, als sie den Hund des Beklagten herbeieilen und mit der Katze kämpfen sah und sodann beim Versuch einzuschreiten erstmals zu Fall gekommen und nach dem Wiederaufstehen durch den agierenden Hund wieder zu Fall gekommen sei. Demgegenüber sei die Schilderung des Beklagten nicht glaubhaft, wonach er trotz behaupteter Schläge der Klägerin auf seinen Hund den Schneeräumvorgang fortgesetzt habe

 

Die Klägerin beantragt,

1) den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin ein angemessenes Schmerzensgeld nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen;

2) festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin sämtliche materielle Schäden und nicht vorhersehbare immaterielle Schäden aus dem Unfallgeschehen vom 13.1.2017 auf dem Grundstück der Klägerin zu ersetzen, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind.

 

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

 

Er verteidigt das angefochtene Urteil unter Wiederholung und Vertiefung des erstinstanzlichen Vorbringens.

Der Senat hat beide Parteien persönlich angehört.

II.

Die Berufung ist zulässig, insbesondere fristgerecht eingelegt und begründet worden.

 

Sie hat auch in der Sache zumindest teilweise Erfolg.

 

1) Der Klägerin steht dem Grunde nach ein Anspruch aus Tierhalterhaftung gem. § 833 Satz 1 BGB zu.

 

a) Der Senat ist auf der Grundlage der persönlichen Anhörung der Parteien sowie des Ergebnisses der erstinstanzlichen Beweisaufnahme davon überzeugt, dass die Klägerin am 13.1.2017 auf ihrem Hof zu Fall kam, weil sich der Hund des Beklagten auf ihren Kater gestürzt hatte und ihn am Kopf packte, während sie mit einem Besen den Schnee von ihrer Treppe fegte, und sie daraufhin in Richtung der Tiere eilte, um diese mit dem Besen zu trennen.

 

Die Klägerin hat diesen Sachverhalt in der mündlichen Verhandlung überzeugend und glaubhaft geschildert. Belastungs- bzw. Entlastungstendenzen waren nicht zu erkennen. Die Klägerin hat auf Nachfragen ausdrücklich erklärt, dass der Hund vor dem Vorfall öfters auf ihrem Hof gewesen sei und sich von ihr habe streicheln lassen; sie sei auch im Nachhinein nicht böse auf den Hund gewesen, sondern habe angenommen, dass er vielleicht wegen des Schnees etwas übermütig gewesen sei. Die Schilderung des Beklagten steht dem Vortrag der Klägerin nicht entgegen. Der Beklagte stellte klar, dass er lediglich gesehen habe, dass sein Hund Schläge bezogen habe; im Übrigen sei ihm die Sicht auf das Geschehen durch den Giebel verdeckt gewesen. Es spricht nichts dafür, dass die Klägerin, die auch nach dem Vortrag des Beklagten den Hund schon lange kannte, in der Vergangenheit regelmäßig mit ihm gespielt und sich mit ihm beschäftigt hatte (vgl. S. 4 des Schriftsatzes vom 17.2.2021), den Hund an diesem Tage ohne jeden Grund geschlagen haben sollte. Das vom Beklagten berichtete Schlagen des Hundes lässt sich hingegen ohne Weiteres in Übereinstimmung bringen mit der Schilderung der Klägerin, sie habe versucht, mit dem Besen die Tiere zu trennen. Auch wenn sie sich dabei ausdrücklich gegen die Verwendung des Wortes „schlagen“ verwahrte, erscheint es naheliegend, dass der Einsatz des Besens gegen den Hund von dem Beklagten, der unstreitig keinen Überblick über das ganze Geschehen hatte, als Schlagen wahrgenommen wurde.

 

Die Angaben der Klägerin werden auch durch die Aussagen der Zeuginnen A und B vor dem Landgericht bestätigt. Beide Zeuginnen - gegen deren Glaubwürdigkeit trotz deren Freundschaft mit der Klägerin auch der Beklagte keine Einwendungen erhoben hat - haben bekundet, dass ihnen die Klägerin noch am Unfalltag davon berichtet habe, sie sei zu Sturz gekommen, als der Hund des Nachbarn auf ihre Katze losgegangen sei und sie dazwischen gegangen sei. Dass die Zeuginnen nicht jedes Detail des Geschehens genauso wiedergaben, wie die Klägerin dies vor Gericht geschildert hat, begründet weder Zweifel an der Glaubhaftigkeit der Aussagen der Zeuginnen, noch an der Richtigkeit der Schilderung der Klägerin. Denn der Schwerpunkt der Erzählung der Klägerin gegenüber ihren Freundinnen, insbesondere gegenüber der Zeugin B als Ärztin, lag verständlicherweise auf ihren eigenen Verletzungen.

 

Aus der Ärztlichen Stellungnahme vom 28.10.2018 und der mündlichen Aussage der sachverständigen Zeugin B sowie dem als Anlage B4 vorgelegten Arztbericht C (Arztpraxis1) vom 30.12.2017 (dort S. 2) ergibt sich zweifelfrei, dass die Klägerin jedenfalls in der fraglichen Zeit Verletzungen am rechten Handgelenk und am linken Kniegelenk erlitten hatte, und dass die Klägerin von einem für die Verletzungen kausalen Sturz am 13.1.2017 berichtet hatte. Der Beklagte hat keine Umstände dafür aufgezeigt, dass diese konkreten Verletzungen (insbesondere deutliche Schwellungen an Hand- und Kniegelenk sowie die fissurale Fraktur des Processus styloideus radii am rechten Handgelenk; Distorsion des linken Kniegelenks) - unbeschadet der Frage, ob diese auch kausal waren für die in der Folgezeit von der Klägerin beklagten Beschwerden - an einem anderen Tag oder unter anderen Umständen zustande kamen, als von der Klägerin geschildert. Gegen die denktheoretische Möglichkeit, dass die Klägerin bewusst wahrheitswidrig ein Unfallgeschehen geschildert haben könnte, bei dem ihr Schadensersatzansprüche zustehen könnten, spricht dabei u.a., dass sie selbst zunächst überhaupt keine Ansprüche gegenüber dem Beklagten geltend gemacht hatte, sondern dass Ansprüche gegenüber dem Beklagten erstmals von der Krankenkasse der Klägerin erhoben worden waren, der gegenüber die Klägerin offensichtlich den Vorfall von Anfang an so wie im vorliegenden Verfahren geschildert hatte.

 

Auf den Einwand in der Klageerwiderung, dass die Klägerin in der Klageschrift nichts zu den vorprozessual berichteten Verletzungen ihres Katers vorgetragen hat, hat die Klägerin bereits erstinstanzlich mit Schriftsatz vom 30.3.2021 erwidert, dass sie diese für den vorliegenden Rechtsstreit nicht für relevant gehalten habe; sie hat jedoch sodann im selben Schriftsatz unter Zeugenbeweis dargelegt, dass der Kater sich zunächst drei Tage irgendwo „verkrochen“ habe, Prellungen und Weichteilverletzungen im Kopf- und Halsbereich gehabt habe und eine Antibiosebehandlung bekommen habe. In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat sie weiter erläutert, dass die Freundin, die den Kater mitversorgt habe, selbst Tierärztin sei und sie deshalb keine Tierarztrechnung vorweisen könne. Auch aus diesen Angaben lassen sich keine „Ungereimtheiten“ erkennen, die gegen die Richtigkeit der Unfallschilderung der Klägerin sprächen.

 

b) Der vorstehende Sachverhalt erfüllt den Tatbestand des § 833 Satz 1 BGB.

 

Nach dieser Vorschrift hat der Halter eines Tieres dem Verletzten den Schaden zu ersetzen, den dieser „durch“ das Tier erleidet. Diese verschuldensunabhängige Haftung des Tierhalters besteht nicht nur dann, wenn ein anderer unmittelbar durch ein Tier verletzt wird, etwa durch Beißen oder Treten, sondern bereits dann, wenn eine Verletzung adäquat kausal auf ein Tierverhalten zurückzuführen ist. Ein mittelbarer Zusammenhang oder eine Mitverursachung ist dabei ausreichend (vgl. Ebel-Borges in: Staudinger, BGB (2018), § 833 Rdn. 27 ff.; Wagner in: Münchener Kommentar zum BGB, 8. Aufl., § 833 Rndr. 12 ff). Die Tierhalterhaftung greift daher grundsätzlich auch dann ein, wenn sich ein Mensch durch die von dem Tier herbeigeführte Gefahr zu helfendem Eingreifen veranlasst sieht (Ebel-Borges aaO Rdnr. 28).

 

So liegt der Fall hier. Die Klägerin hat sich durch den Angriff des Hundes auf ihre Katze veranlasst gesehen, dieser zu Hilfe zu eilen und die Tiere zu trennen. Es mag aus objektiver Sicht unklug gewesen sein, sich trotz der winterlichen Verhältnisse schnell auf die Tiere zuzubewegen. Allerdings ist bei der Beurteilung des Verhaltens der Klägerin zu berücksichtigen, dass sich die Katze aus Sicht der Klägerin in akuter Gefahr befand, da ihr Kopf im Maul des Hundes steckte. Es erscheint eine völlig naheliegende Reaktion, dass die Klägerin hier, ohne nähere Überlegungen über die Gefahren eines möglicherweise glatten Bodens anzustellen, mit dem Besen auf die Tiere zulief, da ein Vertreiben des Hundes mit dem Besen wesentlich erfolgversprechender schien als ein bloßes Zurufen. Diese Reaktion war adäquat kausal durch das Verhalten des Hundes herausgefordert.

 

Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Verletzungen bei einem einzigen Sturz zustande kamen, oder ob die Klägerin zunächst wieder zum Stehen kam und dann erneut stürzte, und ob ursächlich für den zweiten Sturz war, dass die Klägerin von dem weglaufenden Hund gestreift wurde. Denn ein zweiter Sturz stand nach dem unwiderlegten Vortrag der Klägerin jedenfalls in unmittelbarem Zusammenhang mit dem ersten Sturz - wäre die Klägerin nicht, durch das Verhalten des Hundes zum Eingreifen veranlasst auf die Tiere zugelaufen und dabei gestürzt, wäre sie auch nicht beim Aufstehen erneut zu Fall gekommen, so dass es nicht darauf ankommt, ob ein Verhalten des Hundes (auch) unmittelbar kausal war für den zweiten Sturz.

 

2) Soweit die Klägerin die Zahlung eines Schmerzensgeldes begehrt (Klageantrag zu 1), ist der Rechtsstreit in der Höhe noch nicht entscheidungsreif.

 

a) Die Klägerin hat die Höhe des Schmerzensgeldes in das Ermessen des Gerichts gestellt, allerdings bereits mit der Klageschrift vorgetragen, dass sie ein Schmerzensgeld von mindestens 10.000 Euro als angemessen ansieht. Zur Begründung beruft sie sich darauf, dass infolge der erlittenen Verletzungen zwei Knieoperationen (im August 2017 und im Januar 2019) erforderlich gewesen seien, sie bis September 2019 auf die Einnahme von Schmerzmitteln angewiesen gewesen sei und dass auch im Zeitpunkt der Klageerhebung Knie- und Handgelenk immer wieder anschwöllen und sie sich in physiotherapeutischer Behandlung befinde.

 

Die Beklagte hat diesen Vortrag bestritten; sie macht insbesondere geltend, dass sowohl die Operationen als auch etwaige fortdauernde Beschwerden auf unfallunabhängige Vorerkrankungen bzw. degenerative Veränderungen zurückzuführen seien.

 

Über das (Fort-)Bestehen der klägerseits geltend gemachten Beschwerden sowie über Kausalität des Unfalls für diese Beschwerden ist daher noch umfänglich Beweis u.a. durch Einholung von ärztlichen Sachverständigengutachten zu erheben.

 

b) Da jedoch, wie oben unter 1) dargelegt, zur Überzeugung des Senats feststeht, dass die Klägerin bei dem Unfall zumindest Verletzungen am Hand- und Kniegelenk erlitten hat und bereits diese Unfallfolge jedenfalls ein geringfügiges Schmerzensgeld rechtfertigt, konnte hinsichtlich des Schmerzensgeldanspruchs nach § 304 ZPO ein Grundurteil ergehen.

 

3) Dem Feststellungsantrag zu 2) konnte gem. § 301 Abs. 1 ZPO durch Teilurteil stattgegeben werden.

 

Gegen die Zulässigkeit des Feststellungsantrages bestehen keine Bedenken. Die Klägerin hat ein rechtliches Interesse an der Feststellung der Ersatzpflicht i.S.d. § 256 ZPO, weil nach ihrem Vortrag unfallbedingte Beschwerden fortbestehen. Da die Schadensentwicklung hinsichtlich der angesprochenen materiellen Schäden (Verdienstausfall, Haushaltsführungsschaden) nach ihrem Vortrag jedenfalls bei Klageerhebung noch nicht abgeschlossen war, ist ein umfassendes Feststellungsinteresse zu bejahen; die Klägerin war nicht darauf zu verweisen, eine Teilleistungsklage zu erheben (vgl. Zöller/Greger, ZPO, 34. Aufl., § 256 Rdnr. 7a).

 

Der Feststellungantrag ist im Hinblick auf die oben unter 1) dargelegte grundsätzliche Einstandspflicht des Beklagten für die bei dem Vorfall erlittenen Verletzungen der Klägerin auch begründet. Aus den dargestellten Verletzungen in Form von deutlichen Schwellungen an Hand- und Kniegelenk, einer fissurale Fraktur des Processus styloideus radii am rechten Handgelenk und einer Distorsion des linken Kniegelenks resultiert eine gewisse Wahrscheinlichkeit, dass diese die Klägerin sowohl bei ihrer angestrebten beruflichen Tätigkeit als auch bei ihrer Haushaltsführung beeinträchtigt haben und ggf. auch noch weiter beeinträchtigen (vgl. zum Maßstab Bacher in: BeckOK ZPO, 47. Ed. Stand 01.12.2022, § 256 Rdnr. 34).

 

4) Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlussurteil vorbehalten.

 

Eine Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit entfällt, weil das Urteil keinen vollstreckungsfähigen Inhalt hat.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Sache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordern (§ 543 ZPO). Die Entscheidung beruht auf der Anwendung anerkannter Rechtssätze im konkreten Einzelfall.