Wohnungseigentum


Zustimmung zur Veräußerung von Wohnungseigentum: Wer ist zu verklagen ?

BGH, Urteil vom 21.07.2023 - V ZR 90/22 -

Kurze  Inhaltsangabe:

 

Die Teilungserklärung (vom 26.02.1985) sah vor, dass die Veräußerung von Wohnungseigentum der Zustimmung des Verwalters bedürfe. Die Klägerin, die ihr Wohnungs- bzw. Teileigentum mit Vertrag vom 29.10.2020 veräußerte, ersuchte die Beklagte Verwalterin um Zustimmung, die diese verweigerte. Das Amtsgericht wies die in 2021 eingegangene Klage ab; die Berufung der Klägerin wurde vom Landgericht zurückgewiesen. Das Landgericht begründete sein Urteil damit, dass die Beklagte nicht passiv legitimiert sei. Die vom Landgericht zugelassene Revision wurde vom BGH zurückgewiesen.

 

Die Beurteilung des Rechtsfalls orientiere sich an der seit dem 01.12.2020 geltenden Fassung des Wohnungseigentumsgesetzes (WEG). Dem würde nicht entgegenstehen, dass der Kaufvertrag vor Inkrafttreten des Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetzes geschlossen worden sei. Der BGH wies darauf hin, dass mangels entsprechender Übergangsvorschriften grundsätzlich das neue Recht ab dem 01.12.2020 auch auf Altfälle anwendbar sei (zur Ausnahme in Form der gerichtlichen Ersetzung der fehlenden Übergangsvorschrift vgl. aber auch BGH, Urteil vom 07.05.2021 - V ZR 299/19 -).

 

§ 12 WEG sehe vor, dass als Inhalt des Sondereigentums vereinbart werden könne, dass ein Wohnungseigentümer zur Veräußerung der Zustimmung anderer Wohnungseigentümer oder eines Dritten bedürfe (Wortlaut unverändert seit 1951). Vorliegend sei in der Teilungserklärung ein Zustimmungserfordernis des Verwalters der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer (GdWE) bestimmt worden. Daraus folge aber nicht, dass dieser der richtige Beklagte sei. Mit dem Inkrafttreten des Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetzes zum 01.12.2020 sei eine Klage auf Zustimmung zwingend gegen die GdWE zu richten, unabhängig davon, dass der zustimmungsbedürfte Kaufvertrag vor dem 01.12.2020 geschlossen worden sei. Die zum bisherigen Recht ergangene Rechtsprechung sei nicht mehr anwendbar. Würde in den (auch älteren) Teilungserklärungen ein Zustimmungserfordernis durch den Verwalter benannt, sei dieser nur (noch) als Organ der GdWE angesprochen, dem kein eigenes Zustimmungsrecht (auch nicht als Treuhänder) zustünde. Dies sei allerdings in Rechtsprechung und Literatur umstritten.

 

Der Wortlaut von $ 12 Abs. 1 WEG nennt die GdWE nicht (ausdrücklich) als Zustimmungsberechtigte. Durch die Regelung zu „Dritten“ sei dies aber auch nicht ausgeschlossen. Entscheidend für die Passivlegitimation der GdWE (also deren Rechtsstellung in einem entsprechenden Prozess als Beklagte) spreche die Neuregelung zu den Aufgaben und Befugnissen des Verwalters und das Verhältnis des Verwalters zur GdWE, wonach die Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums nunmehr im Außen- und Innenverhältnis ausschließlich der GdWE obliege (§ 18 Abs. 1 WEG). Diese erfülle ihre Aufgaben durch ihre Organe und der Verwalter sei das interne Organ, der die Entscheidungen der GdWE umsetze und dabei vom Verwaltungsbeirat unterstützt würde (BGH, Urteil vom 16.12.2022- V ZR 263/21; BT-Drucks. 19/18791 S. 58). Dies gelte auch dann, wenn nach dem Wortlaut einer Vorschrift ein konkretes Organ benannt würde, da damit nur das für die Erfüllung dieser Aufgabe zuständige Organ bestimmt würde (vgl. auch § 24 WEG zur Pflicht der Einberufung von Versammlungen). Es handele sich hier um einen Paradigmenwechsel durch den Gesetzgeber, der nicht ohne Auswirkung auf die Auslegung von Teilungserklärungen bleiben könne. Die Teilungserklärung (mit der in der Regel in ihr enthaltenen Gemeinschaftsordnung) sei Bestandteil der Grundbuchbucheintragung. Maßgeblich sei der Wortlaut und Sinn, wie er sich aus unbefangener Sicht als nächstliegende Bedeutung der Eintragung ergebe, da sie auch die Sonderrechtsnachfolger von Wohnungseigentümern binde. Daher sei der Verwalter nicht als beliebiger Dritter iSv. § 12 Abs. 1 WEF, sondern als Organ der GdWE zu verstehen, dessen Organstellung sich aus dem Gesetz ergebe (vgl. § 24 Abs. 1 WEG).  Daraus ergebe sich, dass sich der Zustimmungsanspruch gegen die GdWE richte und die Zustimmungserklärung durch den Verwalter abzugeben sei, da die GdWE selbst nicht handlungsfähig sei.

 

Selbst wenn die Teilungserklärung ausnahmsweise dem Verwalter die Erteilung der Zustimmung eindeutig als eigenes und nur von ihm wahrnehmbares Recht zuweisen sollte, würde dies die Zuständigkeit der GdWE nicht berühren. Eine entsprechende Regelung könnte nur die Annahme rechtfertigen, dass die Wohnungseigentümer die Entscheidung über die Zustimmung zur Veräußerung nach an sich ziehen und selbst treffen könnten, wodurch aber der Verwalter nicht außenstehender Dritter würde, sondern im Interesse der übrigen Wohnungseigentümer tätig (BGH, Urteil vom 18.10.2019 - V ZR 188/18 -)und damit - nach neuen Recht - als Organ tätig.

 

 

Auch wenn, wie hier, die Teilungserklärung aus der Zeit vor dem 01.12.2020 stamme, seien diese Grundsätze anwendbar. Bei der Auslegung einer Teilungserklärung käme es nur auf eine objektive Sicht, nicht auf subjektive Vorstellungen an, weshalb sich der Inhalt der Teilungserklärung im Laufe der Zeit ändern könne, wenn in der Teilungserklärung verwandte Begriffe einen Bedeutungswechsel erfahren. In diesem Sinne sei eine ergänzende Auslegung der Teilungserklärung möglich, in denen eine Lücke durch eine Änderung der rechtlichen Verhältnisse entstünde. Dies sei der Fall, wenn die Teilungserklärung zu einer Zeit errichtet wurde, in der der Verwalter bei der Erteilung der Zustimmungserklärung als Treuhänder der Wohnungseigentümer handelte, demgegenüber er jetzt als Organ der GdWE handele. Dies würde auch durch § 47 WEG bestätigt, der einen Anwendungsfall ergänzender Vertragsauslegung von Vereinbarung darstelle, so dass die allgemeinen Grundsätze der Auslegung von Grundbucherklärungen gelten würden. In der Regel sei nicht anzunehmen, dass Vereinbarungen von vor dem 01.12.2020, die von den Regelungen nach dem Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetz abweichen würden, den Regelungen nach dem seit dem 01.12.2020 geltenden Regelungen gemäß dem Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetz entgegen stehen würden (§ 47 S. 2 WEG). Die „Altvereinbarung“ müsse mithin im Sinne der durch die neue Gesetzesfassung geschaffenen Systematik verstanden werden und dem würde widersprechen, wenn der Verwalter trotz seiner („bloßen“) Organstellung selbst zustimmungsberechtigt wäre. 

 

Aus den Gründen:

 

Tenor

 

Die Revision gegen den Beschluss der 9. Zivilkammer des Landgerichts Lüneburg vom 26. April 2022 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.

Der Streitwert wird für die Revisionsinstanz auf 48.000 € und in Abänderung der Wertfestsetzung in dem Beschluss der 9. Zivilkammer des Landgerichts Lüneburg vom 12. Mai 2022 und in dem Urteil des Amtsgerichts Hannover vom 8. September 2021 für die erste und die zweite Instanz ebenfalls auf jeweils 48.000 € festgesetzt.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

 

Die Klägerin ist Mitglied einer Gemeinschaft der Wohnungseigentümer (GdWE), deren Verwalterin die Beklagte ist. Nach § 7 Ziff. 3 lit. b) der Teilungserklärung vom 26. Februar 1985 bedarf die Veräußerung des Wohnungseigentums der Zustimmung des Verwalters. Mit Vertrag vom 29. Oktober 2020 veräußerte die Klägerin ihr Teileigentum zu einem Kaufpreis von 240.000 € an eine Erwerberin. Die Klägerin bat um Zustimmung zu der Veräußerung, die die Beklagte verweigerte. Das Amtsgericht hat die im Jahr 2021 eingegangene Klage abgewiesen. Die Berufung vor dem Landgericht ist ohne Erfolg geblieben. Mit der von dem Senat zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Beklagte beantragt, verfolgt die Klägerin ihren Antrag auf Zustimmung zu der Veräußerung weiter.

 

Entscheidungsgründe

 

I.

 

Nach Ansicht des Berufungsgerichts ist die Klage bereits deshalb unbegründet, weil die Beklagte für die Erteilung der Zustimmung zur Veräußerung nicht passivlegitimiert ist. Nach dem nunmehr geltenden Recht komme dem Verwalter unter Berücksichtigung der Regelungen des § 18 Abs. 1, § 9b Abs. 1 WEG ausschließlich eine Organstellung für die Gemeinschaft zu. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus § 12 WEG. Der in der Teilungserklärung benannte Verwalter sei gerade nicht als Dritter im Sinne dieser Vorschrift zu behandeln, sondern allein aufgrund seiner Funktion während der Dauer seiner Amtszeit zustimmungsberechtigt. Ein entgegenstehender Wille der Wohnungseigentümer sei nicht ersichtlich, weswegen eine Korrektur gemäß § 47 WEG nicht in Betracht komme. Unabhängig davon dürfte ein wichtiger Grund für die Verweigerung der Zustimmung vorliegen.

 

II.

Dies hält rechtlicher Nachprüfung stand. Das Berufungsgericht geht ohne Rechtsfehler davon aus, dass die Beklagte für den von der Klägerin geltend gemachten Zustimmungsanspruch nicht passivlegitimiert ist.

 

1. Für die rechtliche Beurteilung des Streitfalls sind die Vorschriften des Wohnungseigentumsgesetzes in der seit dem 1. Dezember 2020 geltenden Fassung maßgeblich, wie auch von der Revision nicht in Frage gestellt wird. Dem steht nicht entgegen, dass der Kaufvertrag, der Gegenstand des Zustimmungsverlangens der Klägerin ist, bereits am 29. Oktober 2020 und damit vor Inkrafttreten des Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetzes geschlossen wurde. Das seither geltende materielle Recht findet mangels Übergangsvorschriften grundsätzlich auch auf sog. Altfälle Anwendung.

 

2. Gemäß § 12 Abs. 1 WEG kann als Inhalt des Sondereigentums vereinbart werden, dass ein Wohnungseigentümer zur Veräußerung seines Wohnungseigentums der Zustimmung anderer Wohnungseigentümer oder eines Dritten bedarf. Der Wortlaut der Norm ist seit 1951 nicht verändert worden. Eine solche Vereinbarung findet sich hier in § 7 Ziff. 3 lit. b) der Teilungserklärung, in der die Veräußerung des Wohnungseigentums von der Zustimmung des Verwalters abhängig gemacht wird. Hieraus folgt jedoch nicht, dass die Verwalterin der GdWE die richtige Beklagte ist. Sieht die Gemeinschaftsordnung vor, dass ein Wohnungseigentümer zur Veräußerung seines Wohnungseigentums der Zustimmung des Verwalters bedarf, ist seit dem Inkrafttreten des Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetzes am 1. Dezember 2020 eine Klage auf Zustimmung stets gegen die GdWE zu richten. Dies gilt auch dann, wenn die Vereinbarung - wie hier - vor diesem Datum getroffen wurde.

 

a) Macht die Teilungserklärung eine Veräußerung von Wohnungseigentum von der Zustimmung des Verwalters abhängig, so war unter der Geltung des bisherigen Rechts nach der ständigen Rechtsprechung des Senats zu differenzieren. Grundsätzlich war die Klage gegen den Verwalter zu richten, der in aller Regel bei der Entscheidung über die Zustimmung zur Veräußerung als Treuhänder und mittelbarer Stellvertreter der Wohnungseigentümer tätig wurde und hierbei kein eigenes - nur von ihm wahrnehmbares - Recht wahrnahm (vgl. Senat, Urteil vom 13. Mai 2011 - V ZR 166/10, ZWE 2011, 321, 322; Urteil vom 18. Oktober 2019 - V ZR 188/18, NJW-RR 2020, 393 Rn. 6). Hatten allerdings die Wohnungseigentümer die Entscheidung über die an sich von dem Verwalter zu erteilende Zustimmung zur Veräußerung von Wohnungseigentum an sich gezogen und beschlossen, sie zu verweigern, waren sie und nicht der Verwalter für die Klage auf Erteilung der Zustimmung passivlegitimiert (vgl. Senat, Urteil vom 13. Mai 2011 - V ZR 166/10, ZWE 2011, 321, 322). Ein solches Ansichziehen sollte nur dann ausscheiden, wenn die Teilungserklärung ausnahmsweise dem Verwalter die Erteilung der Zustimmung eindeutig als eigenes - nur von ihm wahrnehmbares - Recht zuwies (Senat, Urteil vom 13. Mai 2011 - V ZR 166/10, aaO).

 

b) An dieser Beurteilung kann unter der Geltung des Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetzes nicht mehr festgehalten werden. Wird in der Teilungserklärung die Veräußerung von der Zustimmung des Verwalters abhängig gemacht, wird dieser insoweit lediglich als Organ der GdWE angesprochen; ein eigenes Zustimmungsrecht steht ihm nicht - auch nicht als Treuhänder - zu.

 

aa) Die Frage wird allerdings in Rechtsprechung und Literatur nicht einheitlich beantwortet. Zum Teil wird die Auffassung vertreten, dass auch unter der Geltung des neuen Rechts der Verwalter selbst auf Zustimmung in Anspruch genommen werden müsse, es sei denn, die Eigentümerversammlung habe die Zustimmung abgelehnt oder der Verwalter verweigere die von der Eigentümerversammlung erteilte Zustimmung (vgl. AG Heidelberg, ZWE 2021, 269 Rn. 15; Hügel/Elzer, WEG, 3. Aufl., § 12 Rn. 71; BeckFormB WEG/Rüscher, J.V.1. Anm. 2; BeckFormB WEG/B. Müller, L.IV.3 Anm. 6). Verwiesen wird insoweit auf den Wortlaut des § 12 WEG. Der zustimmungsverpflichtete Verwalter sei wie ein sonstiger Dritter oder ein Wohnungseigentümer selbst Anspruchsgegner. Nach der Gegenauffassung ist die Klage unter der Geltung des neuen Rechts grundsätzlich gegen die GdWE zu richten, da der Verwalter die Zustimmung nicht in eigenem, sondern im Namen der GdWE zu erteilen habe; er handele als Organ der GdWE, die gemäß § 18 Abs. 1 WEG zur Verwaltung berufen sei (vgl. Bärmann/Suilmann, WEG, 15. Aufl., § 12 Rn. 54 f., Rn. 28 ff.; BeckOK WEG/Hogenschurz [3.7.2023], § 12 Rn. 72; ders., ZWE 2023, 73, 74; Beck OGK/Skauradszun [1.6.2023], § 12 WEG Rn. 42; Grüneberg/Wicke, BGB, 82. Aufl., § 12 WEG Rn. 13; jurisPK-BGB/Lafontaine, 10. Aufl., § 12 WEG Rn. 29; Forschner, ZWE 2022, 193, 198 f.; unentschieden BeckOK BGB/Hügel [1.5.2023], § 12 WEG Rn. 7). Innerhalb dieser Auffassung wird teilweise die Ansicht vertreten, ausnahmsweise sei dann gegen den Verwalter Klage zu erheben, wenn dieser wie ein außenstehender Dritter kraft eigener Kompetenz handele bzw. die Gemeinschaftsordnung dem Verwalter persönlich die Erteilung der Zustimmung als eigenes Recht zuweise (vgl. Jennißen/Grziwotz, WEG, 7. Aufl., § 12 Rn. 31; jurisPK-BGB/Lafontaine, 10. Aufl., § 12 WEG Rn. 97; so wohl auch Forschner, ZWE 2022, 193, 199: grundsätzlich denkbar).

 

bb) Richtig ist, dass die Klage stets gegen die GdWE zu richten ist, wenn die Gemeinschaftsordnung die Zustimmung des Verwalters vorsieht.

 

(1) Allerdings wird in dem Wortlaut des § 12 Abs. 1 WEG die GdWE als Zustimmungsberechtigte nicht (ausdrücklich) erwähnt. Auf der anderen Seite schließt es der Wortlaut aber auch nicht aus, die GdWE als „Dritte“ im Sinne der Vorschrift anzusehen (vgl. Hogenschurz, ZWE 2021, 271, 272; Forschner, ZWE 2022, 193, 199).

 

(2) Entscheidend für die Passivlegitimation der GdWE spricht, dass der Gesetzgeber die Aufgaben und Befugnisse des Verwalters und das Verhältnis des Verwalters zu der GdWE zum 1. Dezember 2020 grundlegend neu ausgestaltet hat. Die Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums obliegt nunmehr sowohl im Außenverhältnis als auch im Innenverhältnis ausschließlich der GdWE (§ 18 Abs. 1 WEG). Diese erfüllt die ihr zugewiesenen Aufgaben durch ihre Organe; internes Organ für die Ausführung ist der Verwalter, der die Entscheidungen umsetzt und dabei durch den Verwaltungsbeirat unterstützt wird (vgl. BT-Drucks. 19/18791 S. 58; Senat, Urteil vom 16. Dezember 2022 - V ZR 263/21, NJW-RR 2023, 226 Rn. 26). Dies gilt auch dann, wenn sich eine Vorschrift ihrem Wortlaut nach an ein konkretes Organ richtet; damit wird lediglich das für die Erfüllung dieser Aufgabe zuständige Organ bestimmt. Daher ist beispielsweise die Pflicht, eine Versammlung einzuberufen, in erster Linie eine Pflicht der GdWE; § 24 Abs. 1 WEG weist die Erfüllung dieser Pflicht lediglich im Rahmen der internen Zuständigkeitsverteilung zwischen den Organen dem Verwalter zu (vgl. BT-Drucks. 19/18791 S. 58).

 

(3) Dieser Paradigmenwechsel kann nicht ohne Auswirkungen auf die Auslegung einer Bestimmung in der Teilungserklärung bleiben, wonach der Verwalter einer Veräußerung zustimmen muss. Die Teilungserklärung und die in ihr regelmäßig enthaltene Gemeinschaftsordnung mit entsprechenden Vereinbarungen, zu der auch eine Zustimmungspflicht gehört, stellen Grundbucheintragungen dar. Maßgebend sind ihr Wortlaut und Sinn, wie er sich aus unbefangener Sicht als nächstliegende Bedeutung der Eintragung ergibt, weil sie auch die Sonderrechtsnachfolger der Wohnungseigentümer bindet. Umstände außerhalb der Eintragung dürfen nur herangezogen werden, wenn sie nach den besonderen Verhältnissen des Einzelfalls für jedermann ohne weiteres erkennbar sind (st. Rspr. vgl. Senat, Urteil vom 22. März 2019 - V ZR 145/18, ZWE 2019, 322 Rn. 7 mwN). Nächstliegender Auslegung entspricht es, den in der Teilungserklärung aufgeführten Verwalter nicht als beliebigen „Dritten“ i.S.d. § 12 Abs. 1 WEG zu verstehen, sondern als Organ der GdWE. Bei der Organstellung des Verwalters handelt es sich nämlich um einen für jeden ohne weiteres erkennbaren Umstand, weil er sich aus dem Gesetz ergibt. In dieser Eigenschaft wird er nicht nur im Gesetz selbst angesprochen (vgl. etwa § 24 Abs. 1 WEG), sondern auch in der Teilungserklärung. Im Zusammenhang mit § 12 Abs. 1 WEG sind entsprechende Reglungen deshalb dahingehend auszulegen, dass sich der Zustimmungsanspruch gegen die GdWE richtet, diese also passivlegitimiert ist. Da sie selbst nicht handlungsfähig ist, wird die Zustimmungserklärung durch den Verwalter als dem hierfür zuständigen Organ abgegeben. Auch wenn es zweckmäßig ist, in der Teilungserklärung juristisch präzise die GdWE, vertreten durch den Verwalter, als zustimmungsbefugt zu bezeichnen, ist es unschädlich, wenn - in abgekürzter Ausdrucksweise - der Verwalter aufgeführt ist, weil seine Funktion als Organ der GdWE ohne weiteres erkennbar ist.

 

(4) Daran gemessen ist bei der Vereinbarung eines Zustimmungsvorbehalts „durch den Verwalter“ die Klage auf Zustimmung stets gegen die GdWE zu richten. Dies gilt entgegen der von der Revision und Teilen der Literatur (vgl. oben Rn. 8) vertretenen Auffassung auch dann, wenn die Teilungserklärung ausnahmsweise dem Verwalter die Erteilung der Zustimmung eindeutig als eigenes - nur von ihm wahrnehmbares - Recht zuweisen sollte. Hierfür kann dahinstehen, unter welchen Voraussetzungen dies überhaupt der Fall sein kann; praktische Beispiele gibt es hierfür nicht (vgl. Forschner, ZWE 2022, 193, 199). Jedenfalls führte eine entsprechende Regelung lediglich dazu, dass die Wohnungseigentümer die Entscheidung über die Zustimmung zur Veräußerung nicht an sich ziehen und selbst treffen können (vgl. Senat, Urteil vom 13. Mai 2011 - V ZR 166/10, ZWE 2011, 321, 322). Auch in einem solchen Fall wird der Verwalter aber nicht, wie die Revision meint, als außenstehender Dritter, sondern im Interesse der übrigen Wohnungseigentümer tätig (vgl. Senat, Urteil vom 18. Oktober 2019 - V ZR 188/18, NJW-RR 2020, 393 Rn. 6). Unter der Geltung des neuen Rechts handelt er deshalb auch in diesem Fall als Organ der GdWE, die im Falle der Verweigerung der Zustimmung zu verklagen ist.

 

c) Diese Grundsätze gelten auch dann, wenn die Teilungserklärung mit einem vorgesehenen Zustimmungsvorbehalt des Verwalters noch - wie hier - aus der Zeit vor dem 1. Dezember 2020 stammt.

 

aa) Da bei der Auslegung der Teilungserklärung subjektive Vorstellungen nicht von Bedeutung sind, sondern allein eine objektive Sicht maßgebend ist, kann sich der Inhalt der Teilungserklärung im Laufe der Zeit ändern, wenn in der Erklärung verwendete Begriffe einen Bedeutungswandel erfahren haben (vgl. hierzu auch Bärmann/Suilmann, WEG, 15. Aufl., § 10 Rn. 76, § 12 Rn. 28). In diesem Sinne hält der Senat eine ergänzende Auslegung der Teilungserklärung in den Fällen für möglich, in denen eine Lücke durch eine Änderung der rechtlichen Verhältnisse entsteht (vgl. Senat, Urteil vom 13. Dezember 2019 - V ZR 203/18, NJW 2020, 1354 Rn. 17 zu der Berücksichtigung von § 22 Abs. 1a BImSchG bei der Auslegung von vor dem Inkrafttreten der Norm errichteten Teilungserklärungen). Nicht anders liegt es, wenn die Teilungserklärung zu einem Zeitpunkt errichtet worden ist, in dem der Verwalter bei der Erteilung einer Zustimmung zur Veräußerung die Rolle als Treuhänder zukam, während er nach dem aktuellen Recht die Stellung als Organ der GdWE innehat. Es ist deshalb nächstliegend, ab der Geltung des neuen Rechts nicht (mehr) ihn als zustimmungsberechtigt anzusehen, sondern die GdWE, die durch den Verwalter handelt.

 

bb) Dieses Ergebnis wird bestätigt durch § 47 WEG, der einen Anwendungsfall der ergänzenden Vertragsauslegung von Vereinbarungen darstellt, so dass die allgemeinen Grundsätze der Auslegung von Grundbucherklärungen gelten (vgl. Bärmann/Göbel, WEG, 15. Aufl., § 47 Rn. 4). Nach Satz 1 der Vorschrift stehen Vereinbarungen, die vor dem 1. Dezember 2020 getroffen wurden und die von solchen Vorschriften dieses Gesetzes abweichen, die durch das Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetz vom 16. Oktober 2020 geändert wurden, der Anwendung dieser Vorschriften in der vom 1. Dezember 2020 an geltenden Fassung nicht entgegen, soweit sich aus der Vereinbarung nicht ein anderer Wille ergibt. Ein solcher Wille ist in der Regel nicht anzunehmen (§ 47 Satz 2 WEG). Auch wenn § 47 WEG im vorliegenden Zusammenhang nicht unmittelbar anwendbar ist, weil der Wortlaut des § 12 Abs. 1 WEG unverändert geblieben ist, kommt hierin jedenfalls der eindeutige Wille des Gesetzgebers zum Ausdruck, bei der Auslegung von Vereinbarungen im Zweifel dem neuen Recht zur Geltung zu verhelfen. Deshalb müssen auch Altvereinbarungen auf der Grundlage der durch das Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetz vorgegebenen Systematik verstanden werden (so auch Hogenschurz, ZWE 2023, 73, 74; Forschner, ZWE 2022, 193, 199; siehe zur sog. dynamischen Verweisung in einer Gemeinschaftsordnung auf die jeweils aktuellen gesetzlichen Regelungen auch Senat, Urteil vom 17. März 2023 - V ZR 140/22, ZWE 2023, 211 Rn. 17). Dem widerspräche es, legte man die Vereinbarung dahingehend aus, dass der Verwalter trotz seiner („bloßen“) Organstellung selbst zustimmungsberechtigt ist.

 

3. Da hiernach bereits die Passivlegitimation der Beklagten fehlt, kommt es auf die von den Parteien kontrovers diskutierte und von dem Berufungsgericht nicht abschließend entschiedene Frage, ob wichtige Gründe i.S.d. § 12 Abs. 2 WEG für die Versagung der Zustimmung vorliegen, nicht an.

 

III.

 

1. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

 

2. Der Streitwert für das Revisionsverfahren bestimmt sich nach den Anträgen der Klägerin als Rechtsmittelführerin (§ 47 Abs. 1 GKG) und beläuft sich auf 48.000 €. Das Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetz hat nichts daran geändert, dass der Streitwert einer Klage auf Erteilung der Zustimmung zur Veräußerung des Wohnungseigentums nach § 12 Abs. 1 WEG in der Regel 20 % des Verkaufspreises des Wohnungseigentums beträgt. Von diesem Wert ist der Senat unter der Geltung des § 49a GKG aF ausgegangen. Der Nachteil des Wohnungseigentümers, der veräußern will, liegt grundsätzlich nur in der Verzögerung der Veräußerung oder ggf. in einem geringeren Verkaufspreis. Dieser Nachteil entspricht nicht dem Kaufpreis, sondern ist mit einem Bruchteil davon zu bewerten. Dieser Bruchteil bildete den Mindeststreitwert i.S.d. § 49a Abs. 1 Satz 2 GKG aF (vgl. Senat, Beschluss vom 18. Januar 2018 - V ZR 71/17, NJW-RR 2018, 775 Rn. 4 ff.). An der Bewertung des maßgeblichen Interesses des Wohnungseigentümers an dem Erfolg der Klage hat sich ab dem 1. Dezember 2020 in der Sache nichts geändert. Wird die Zustimmung - wie hier - im Wege der Leistungsklage verlangt, beruht die Wertfestsetzung allerdings jetzt auf § 48 GKG i.V.m. § 3 ZPO, da § 49 GKG - anders als § 49a GKG aF - nur für Beschlussklagen gilt. Da der von der Klägerin mit der Erwerberin vereinbarte Kaufpreis der Teileigentumseinheit 240.000 € beträgt, ergibt sich ein Streitwert von 48.000 €.

 

3. Dass das Amtsgericht den Streitwert auf lediglich 24.000 € festgesetzt hat, steht einer Wertfestsetzung auf 48.000 € nicht entgegen. Zwar wird gemäß § 47 Abs. 2 GKG der Streitwert eines Rechtsmittelverfahrens durch den Wert des Streitgegenstands des ersten Rechtszugs begrenzt. Maßgeblich ist insofern aber der richtige, nicht der festgesetzte Streitwert für die erste Instanz (vgl. Senat, Beschluss vom 9. Dezember 2021 - V ZR 112/21, ZWE 2022, 141 Rn. 5). Insoweit hätte auch bereits das Amtsgericht den Streitwert für die erste Instanz auf 48.000 € festsetzen müssen. Die von ihm zitierte Vorschrift des § 49a GKG aF findet keine Anwendung, weil die Klage nach dem Inkrafttreten des Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetzes eingegangen ist und deshalb neues Recht gilt (vgl. § 71 Abs. 1 Satz 1 GKG). Unabhängig davon hätte auch unter der Geltung des § 49a GKG aF der erstinstanzliche Streitwert 48.000 € betragen, weil - wie ausgeführt - das Interesse der Klägerin die Untergrenze für den Gegenstandswert gemäß § 49a Abs. 1 Satz 2 GKG aF bildete.

 

 

4. Die Änderung des Streitwerts für das erst- und zweitinstanzliche Verfahren auf einen Betrag von ebenfalls jeweils 48.000 € beruht auf § 63 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GKG.