ZwangsvoLlklstreckunG / Zwangsversteigerung


Teilungsversteigerung:  Zum Anspruch auf Verzugszinsen auf den hinterlegten Betrag gegenüber dem Miteigentümer

BGH, Urteil vom 12.10. 2017 - IX ZR 267/16 -

Kurze Inhaltsangabe: 

 

Nach einer Teilungsversteigerung wurde der auf die Klägerin entfallende Anteil am Versteigerungserlös hinterlegt, da der Beklagte keine Freigabe erteilte. Auf die Klage der Klägerin, die diese nach anwaltlicher Aufforderung zur Freigabe und ausdrücklicher Ablehnung durch den Beklagten am 10.09.2012 erhob, wurde der Beklagte zur Freigabe verurteilt und es erfolgte die Auszahlung durch die Hinterlegungsstelle an die Klägerin. Diese verlangte nunmehr vom Beklagten die gesetzlichen Verzugszinsen für den Zeitraum ab dem 10.09.2012 bis zum Eingang der Auszahlung durch die Hinterlegungsstelle und  Freistellung von vorgerichtlichen Anwaltsgebühren zuzüglich Zinsen. Der Klage wurde vom Amtsgericht stattgegeben. Das Landgericht wies auf die Berufung des Beklagten die Klage bezüglich der Zinsen auf die vorgerichtlichen Anwaltsgebühren ab und im übrigen die Berufung zurück. Die (zugelassene) Revision des Beklagten wie auch die Anschlussberufung der Klägerin betreffen der Zinsen auf die Anwaltsgebühren wurde vom BGH zurückgewiesen.

 

1. Verzugszinsen auf den Hinterlegungsbetrag

 

Der BGH sah den Verzugszinsanspruch nach § 288 Abs. 1 BGB als begründet an. Auch ohne vorhergehende Mahnung habe hier der Kläger Klage auf Freigabe des hinterlegten Betrages erheben dürfen, da der Beklagte mit seiner Mail vom 10.09.2012 die Erfüllung des Anspruchs des Klägers endgültig verweigert habe und daher gem. § 296 Abs. 2 Nr. 3 BGB keine Mahnung erforderlich gewesen sei.

 

§ 288 Abs. 1 S. 1 BGB sei auch entsprechend  anwendbar. Zwar finde die Norm keine unmittelbare Anwendung, da es sich hier nicht um eine Geldschuld handele, vielmehr die Klägerin eine Freigabeerklärung begehrt habe. Allerdings sei für diese Fälle die Norm entsprechend anwendbar. Der Freigabeanspruch habe hier einen Geldbetrag zum Gegenstand (so bereits RG JW 1912, 635f). Es beträfe nur die äußere Form, in der der Anspruch verwirklicht werden müsse, dass er nicht auf Geld sondern auf Einwilligung in die Auszahlung von Geld gerichtet sei. Daher läge eine Gleichwertigkeit vor; der Gesetzgeber habe dies nicht in den Blick genommen.  Der Gleichwertigkeit würde auch nicht entgegenstehen, dass ein Dritter (die Hinterlegungsstelle) die Auszahlung des geschuldeten Betrages zu bewirken habe. Auch wenn der Anspruchsgegner (Beklagte) selbst nicht über das vorenthaltene Geld verfügen könne, greife § 288 Ans. 1 BGB unabhängig davon.

 

Die Auszahlungsanordnung  des hinterlegten Geldbetrages hänge alleine von der Freigabeerklärung ab; mit dieser würde der Nachweis für die Empfangsberechtigung erbracht, auf Grund der die Herausgabe von der Hinterlegungsstelle angeordnet werden könne. Der Miteigentumsanteil des Klägers an dem gem. § 753 Abs. 1 BGB versteigerten Grundstück setze sich zunächst mit dem Zuschlag im Teilungsversteigerungsverfahren im Wege der dinglichen Surrogation an dem Versteigerungserlös fort, weshalb der Beklagte zur Vornahme der für die Erlösverteilung erforderlichen Mitwirkungshandlung verpflichtet gewesen sei (wie sich aus dem Urteil im Vorprozess ergab). Damit wäre der Klägerin ein unmittelbar auf Auskehr des nach Abzug der Versteigerungskosten und Berichtigung der gemeinschaftlichen Verbindlichkeiten verbleibender Überschuss erwachsen. Dass durch die unberechtigte Verweigerung des Beklagten zur Zustimmung hierzu eine Hinterlegung erfolgt wäre, mit der Folge, dass sich die Bruchteilsgemeinschaft am versteigerten Grundbesitz nunmehr an der Forderung gegen die Hinterlegungsstelle fortsetze, nähme dem Anspruch der Klägerin auf Abgabe der erforderlichen Einwilligung in die Auszahlung des hinterlegten Erlösanteils nicht den Charakter einer unmittelbar auf Erhalt des ihr zustehehenden Anteils gerichteten Forderung.

 

2. Verzugszinsen auf den Freistellungsanspruch zu den vorgerichtlichen Anwaltsgebühren

 

 

Es habe kein Antrag auf Zahlung vorgelegen. Der Befreiungsanspruch sei auch nicht nach §§ 280, 286 BGB in einen Zahlungsanspruch  übergegangen. Bei einem allein auf Freistellung von den vorgerichtlichen Anwaltsgebühren gerichteten Anspruch entfalle ein Anspruch auf Verzugszinsen.

 

Aus den Gründen:

Tenor

Die Revision des Beklagten und die Anschlussrevision der Klägerin gegen das Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Hagen vom 5. Oktober 2016 werden zurückgewiesen.

 

Von den Kosten des Revisionsrechtszugs tragen die Klägerin 5 vom Hundert und der Beklagte 95 vom Hundert.

 

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über Verzugszinsen bei verzögerter Freigabe eines hinterlegten Betrages.

Die Klägerin war zu 1/5, der Beklagte zu 4/5 Miteigentümer eines Grundstücks, das am 17. November 2011 zum Zwecke der Aufhebung der Gemeinschaft zwangsversteigert wurde. Von dem zu verteilenden Überschussbetrag hinterlegte das Amtsgericht den auf die Klägerin entfallenden Anteil bei der Hinterlegungsstelle des Amtsgerichts, weil der Beklagte der Auszahlung an die Klägerin nicht zustimmte. Die Klägerin forderte den Beklagten zur Freigabe des hinterlegten Betrages auf, was dieser mit E-Mail vom 10. September 2012 ablehnte. Mit Urteil des Landgerichts Hagen vom 3. Februar 2015 wurde er verurteilt, der Auszahlung des hinterlegten Betrages an die Klägerin zuzustimmen. Nach Eintritt der Rechtskraft dieses Urteils am 28. Dezember 2015 ging der hinterlegte Betrag am 16. Februar 2016 bei der Klägerin ein.

Die Klägerin begehrt nunmehr für den Zeitraum vom 10. September 2012 bis zum 16. Februar 2016 Verzugszinsen in gesetzlicher Höhe aus dem hinterlegten Betrag. Das Amtsgericht hat den Beklagten bei Klageabweisung im Übrigen verurteilt, an die Klägerin Verzugszinsen für die Zeit vom 10. September 2012 bis einschließlich 28. Dezember 2015 in Höhe von 4.105,62 € zu zahlen und die Klägerin freizustellen von ihr vorgerichtlich entstandenen Anwaltskosten durch Zahlung von 492,54 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 21. Januar 2016 an die von der Klägerin beauftragte Anwaltssozietät. Auf die Berufung des Beklagten hat das Landgericht den in der Hauptsache zu zahlenden Betrag auf 4.104,43 € herabgesetzt und die Zinsforderung bezüglich der vorgerichtlichen Anwaltskosten abgewiesen.

Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte sein Klageabweisungsbegehren weiter. Die Klägerin hat Anschlussrevision eingelegt mit dem Ziel einer Verzinsung der vorgerichtlichen Anwaltskosten ab dem 29. Januar 2016.

 

Entscheidungsgründe

Die Rechtsmittel sind zulässig, aber unbegründet.

 

I.

Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt: Der Anspruch auf Zinsen auf den hinterlegten Betrag ergebe sich dem Grunde nach aus einer analogen Anwendung des § 288 Abs. 1 BGB. Die Vorschrift des § 288 Abs. 1 BGB gelte zwar nach ihrem Wortlaut lediglich für Geldforderungen, sie finde aber entsprechend Anwendung auf Ansprüche, die auf Zustimmung zur Auszahlung hinterlegten Geldes an den Gläubiger gerichtet seien. Dies entspreche der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu § 288 Abs. 1 BGB in der bis zum 30. April 2000 geltenden Fassung (Urteil vom 25. April 2006 - XI ZR 271/05, BGHZ 167, 268), der auch nach Inkrafttreten des Gesetzes zur Beschleunigung von Zahlungen vom 30. März 2000 (BGBl. I S. 330) zum 1. Mai 2000 und des Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts vom 26. November 2001 (BGBl. I S. 3138) zum 1. Januar 2002 zu folgen sei. Für Ansprüche, die nicht auf Zahlung von Geld, sondern auf Einwilligung in die Auszahlung von Geld gerichtet seien, weise § 288 Abs. 1 BGB eine Regelungslücke auf, die vom Gesetzgeber nicht gesehen worden sei und an deren Fortbestand sich daher nichts geändert habe. In diesen Fällen liege auch eine die Analogie rechtfertigende vergleichbare Interessenlage vor. Für den aus der Vorenthaltung von Geld erwachsenden (Zins-)Schaden sei es gleichgültig, ob die Vorenthaltung darauf beruhe, dass der Schuldner nicht zahle, oder darauf, dass der Schuldner die Auszahlung des Geldes seitens einer Hinterlegungsstelle durch Nichterteilung seiner Zustimmung verhindere. Dass der Gesetzgeber durch § 288 Abs. 1 BGB (auch) die Durchsetzung von Zahlungsansprüchen habe beschleunigen wollen, stehe der Gleichsetzung einer Nichtzahlung mit einer zu Unrecht verweigerten Zustimmung zur Auszahlung nicht entgegen. Die Klägerin habe auch Anspruch auf Zustimmung zur Freigabe des hinterlegten Geldes gehabt, was bereits aufgrund des rechtskräftigen Urteils des Landgerichts Hagen vom 3. Februar 2015 nach § 322 Abs. 1 ZPO bindend für den hier zu beurteilenden Zinsanspruch feststehe. Mit der Erfüllung dieses Anspruchs sei der Beklagte in Verzug gewesen, spätestens seit er durch seine E-Mail vom 10. September 2012 die Zustimmung zur Auszahlung des hinterlegten Betrages ernsthaft und endgültig im Sinne von § 286 Abs. 2 Nr. 3 BGB verweigert habe.

Hinsichtlich der Höhe des Anspruches sei in Anwendung von § 187 Abs. 1 BGB ein Zinszeitraum erst ab dem Tag nach Zugang der Zahlungsverweigerung in der E-Mail vom 10. September 2012 zugrunde zu legen. Der Einwand des Beklagten, der Klägerin habe teilweise ein Anspruch auf Hinterlegungszinsen zugestanden, sei unerheblich, weil der Nachweis eines geringeren Schadens vom Gesetzgeber bewusst nicht vorgesehen worden sei, im Übrigen das Amtsgericht für das Berufungsgericht bindend festgestellt habe, dass lediglich der hinterlegte Erlösanteil aus der Versteigerung an die Klägerin ausgekehrt worden sei.

Der Klageantrag betreffend die außergerichtlichen Kosten der Klägerin sei dahin auszulegen, dass er auf Freistellung gerichtet sei. Ein solcher Anspruch auf Freistellung von vorgerichtlichen Anwaltskosten stehe der Klägerin in geltend gemachter Höhe auch zu. Indes bestehe ein Anspruch auf Prozess- oder Verzugszinsen hinsichtlich des Freistellungsanspruches nicht, insoweit komme auch keine Analogie zu §§ 288 ff BGB in Betracht.

 

II.

Die zulässige Revision des Beklagten erweist sich als unbegründet. Nach den unangefochtenen Feststellungen befand sich der Beklagte mit der Zustimmung zur Freigabe des hinterlegten Geldes in Verzug. Er schuldet daher der Klägerin in entsprechender Anwendung des § 288 Abs. 1 BGB Verzugszinsen in gesetzlicher Höhe.

1. Der Beklagte war nach den unangegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts verpflichtet, gegenüber der Hinterlegungsstelle des Amtsgerichts seine unbedingte Zustimmung zu erklären, dass der dort hinterlegte Anteil am zu verteilenden Erlös aus der Teilungsversteigerung an die Klägerin ausgezahlt wird. Dies zu tun hatte der Beklagte mit E-Mail vom 10. September 2012 ernsthaft und endgültig verweigert. Er befindet sich seither auch ohne vorangehende Mahnung der Klägerin in Verzug (§ 286 Abs. 2 Nr. 3 BGB). Umstände, aufgrund derer der Beklagte diesen nicht zu vertreten hätte, sind weder vom Landgericht festgestellt noch von der Revision geltend gemacht.

2. Der Beklagte ist daher - wie das Berufungsgericht zutreffend gesehen hat - in entsprechender Anwendung von § 288 Abs. 1 Satz 1 BGB zur Zahlung der gesetzlichen Verzugszinsen in zuerkannter Höhe verpflichtet.

a) Der Beklagte war zwar nicht mit einer Geldschuld, sondern mit der Abgabe einer Freigabeerklärung in Verzug, auf die § 288 Abs. 1 Satz 1 BGB keine unmittelbare Anwendung findet. Ein Gläubiger hat aber in entsprechender Anwendung von § 288 Abs. 1 Satz 1 BGB auch bei verzögerter Freigabe eines hinterlegten Geldbetrages einen Anspruch auf Verzugszinsen in gesetzlicher Höhe. Dies gilt nicht nur für die bis zum 30. April 2000 geltende Fassung des § 288 Abs. 1 Satz 1 BGB (vgl. BGH, Urteil vom 25. April 2006 - XI ZR 271/05, BGHZ 167, 268), sondern auch für die Neufassungen dieser Norm.

Der Revision ist zuzugeben, dass auf Grund des vom Gesetzgeber bewusst eng gefassten Anwendungsbereichs des § 288 Abs. 1 BGB und mit Blick auf dessen gerade auf den Verzug mit einer Geldschuld bezogenen Schutzzweck die Vorschrift nicht auf alle Fälle angewendet werden kann, in denen mittelbar die Verschaffung von Geld geschuldet wird (BGH, Urteil vom 5. Dezember 2012 - XII ZR 44/11, BGHZ 196, 1 Rn. 23). Der Senat hält jedoch daran fest, dass der Anspruch auf Einwilligung in die Auszahlung hinterlegten Geldes einer Geldschuld gleichzustellen ist. Insoweit besteht eine durch Analogie zu schließende Regelungslücke. Die von der Revision aufgegriffenen Bedenken hiergegen (vgl. Staudinger/Löwisch/Feldmann, BGB, 2014, § 288 Rn. 13; Soergel/Benicke/Nalbantis, BGB, 13. Aufl., § 288 Rn. 40; MünchKomm-BGB/Ernst, 7. Aufl., § 288 Rn. 13) erachtet der Senat für ebenso wenig durchgreifend wie die Überlegungen der Revision, nach der Neufassung des § 288 BGB sei eine die Analogie rechtfertigende vergleichbare Interessenlage nicht mehr gegeben.

aa) Zunächst kann dahinstehen, ob es sich bei § 288 Abs. 1 Satz 1 BGB um eine Ausnahmeregelung handelt (hierauf abstellend Staudinger/Löwisch/Feldmann, aaO; Foerster ZMR 2009, 245, 251 Fn. 80), denn dies stünde jedenfalls hier einer analogen Anwendung nicht entgegen. Der Gesetzgeber hat selbst - wie der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung vom 25. April 2006 näher ausgeführt hat (aaO Rn. 14) - § 288 Abs. 1 BGB für analogiefähig erachtet. Der Regelung liegt seit jeher der Grundsatz zugrunde, dass die mit dem Besitz von Geld verbundenen Nutzungsmöglichkeiten auch ohne Substanzverbrauch in aller Regel geldwerte wirtschaftliche Vorteile bieten, deren Vorenthaltung rechtlich als Schaden anzusehen ist, der unabhängig von den Umständen des Einzelfalles mit einem Mindestzinssatz abzugelten ist (vgl. Motive, Mugdan II S. 34; BGH, Urteil vom 26. April 1979 - VII ZR 188/78, BGHZ 74, 231, 234 f). Der Gläubiger soll einen Zinsschaden oder einen sonstigen Schaden gerade nicht beweisen müssen (Motive, Mugdan II S. 34). Wenn dem Schuldner statt "einer eigentlichen Geldschuld … z.B. eine deponierte Menge Geldes vorenthalten wird" (Motive, Mugdan II S. 34), könne die Vorschrift zu den Verzugsfolgen bei Geldschulden entsprechend angewendet werden.

bb) Der vom Gesetzgeber nicht in den Blick genommene Anspruch auf Einwilligung in die Auszahlung hinterlegten Geldes ist einer Geldschuld gleichwertig. Ob der Anspruch des Gläubigers unmittelbar auf Zahlung gerichtet ist oder auf Herausgabe einer aufgrund eines privatrechtlichen Verwahrvertrags deponierten "Menge Geldes" (wie schon in der Gesetzesbegründung angesprochen) oder - wie hier - auf Freigabe eines bei einer Hinterlegungsstelle im Rahmen eines öffentlich-rechtlichen Hinterlegungsverhältnisses zur Sicherung hinterlegten Geldbetrags, macht wertungsmäßig keinen Unterschied.

Der Freigabeanspruch hat - wie bereits das Reichsgericht entschieden hat (RG, JW 1912, 635f; JW 1938, 3112) - einen Geldbetrag zum Gegenstand. Danach betrifft es lediglich die äußere Form, in der dieser Anspruch verwirklicht werden müsste, dass er nicht auf Zahlung von Geld, sondern auf Einwilligung zur Auszahlung von Geld geht. Dementsprechend hat der Bundesgerichtshof die Freigabeforderung ihrem Gegenstand nach als gleichartig mit dem Anspruch auf Geldzahlung angesehen und folglich die Aufrechnung für zulässig erachtet (BGH, Urteil vom 19. Oktober 1988 - IVb ZR 70/87, DNotZ 1989, 752, 753; Urteil vom 17. November 1999 - XII ZR 281/97, NJW 2000, 948, 950; Beschluss vom 17. Januar 2008 - III ZR 320/06, NJW-RR 2008, 556 Rn. 16). Diese Erkenntnis, die breite Zustimmung erfahren hat (z.B. OLG Karlsruhe NJW-RR 2002, 1225; Soergel/Schreiber, BGB, 13. Aufl., § 387 Rn. 6; Erman/Wagner, BGB, 15. Aufl., § 387 Rn. 11; MünchKomm-BGB/Schlüter, 7. Aufl., § 387 Rn. 34; Palandt/Grüneberg, BGB, 76. Aufl., § 387 Rn. 9; NK-BGB/Wermecker, 3. Aufl., § 387 Rn. 25; BeckOGK-BGB/Skamel, 2017, § 387 Rn. 108; BeckOK BGB/Dennhardt, 2017, § 387 Rn. 27.1; Pfeiffer in Prütting/Wegen/Weinrich, BGB, 12. Aufl., § 387 Rn. 15; vgl. auch Koenig/Fritsch, AO, 3. Aufl., § 226 Rn. 25; Jäger/Windel, InsO, § 94 Rn. 119; MünchKomm-InsO/Brandes/Lohmann, 3. Aufl., InsO § 94 Rn. 26; Uhlenbruck/Sinz, InsO, 14. Aufl. § 94 Rn. 29; aA Staudinger/Gursky, BGB, 2016, § 387 Rn. 93; Schmitz MDR 1989, 582), stützt die Gleichstellung des Anspruchs auf Einwilligung in die Auszahlung hinterlegten Geldes mit einer Geldschuld im Sinne von § 288 Abs. 1 BGB.

Dieser Gleichstellung steht nicht entgegen, dass bei der Freigabe hinterlegten Geldes ein Dritter, der nicht Anspruchsgegner ist, die Auszahlung des geschuldeten Geldbetrags zu bewirken hat. Zwar kann in diesem Fall der Anspruchsgegner zu keinem Zeitpunkt selbst über das vorenthaltene Geld verfügen. Die Verzugsfolgen des § 288 Abs. 1 BGB greifen aber unabhängig davon, ob der Schuldner vorenthaltenes Geld gewinnbringend verwenden oder sonstige Vorteile daraus ziehen konnte.

Auch hängt die zur Auszahlung des hinterlegten Geldbetrags führende Herausgabeanordnung, nachdem sie beantragt worden ist, allein von der Freigabeerklärung ab (vgl. § 22 des hier maßgeblichen HinterlG NRW). Damit wird der Nachweis der Empfangsberechtigung erbracht und die Herausgabe ist anzuordnen (§§ 21, 22 HinterlG NRW). Der Miteigentumsanteil der Klägerin an dem gemäß § 753 Abs. 1 BGB versteigerten Grundstück setzte sich zunächst mit dem Zuschlag im Teilungsversteigerungsverfahren im Wege der dinglichen Surrogation an dem Versteigerungserlös fort (vgl. BGH, Beschluss vom 13. November 2013 - XII ZB 333/12, BGHZ 199, 71 Rn. 16 mwN; vom 22. Februar 2017 - XII ZB 137/16, NJW 2017, 2544 Rn. 21). Der Beklagte war entsprechend den Feststellungen des Berufungsgerichts sodann zur Vornahme der für die Erlösverteilung erforderlichen Mitwirkungshandlungen verpflichtet. Der Klägerin wäre hieraus ein unmittelbar auf Auskehr des nach Abzug der Versteigerungskosten (§§ 180, 109 ZVG) und Berichtigung der gemeinschaftlichen Verbindlichkeiten (§§ 755, 756 BGB) verbleibenden Überschusses gerichteter Anspruch erwachsen. Dass der Beklagte durch die unberechtigte Verweigerung seiner Zustimmung hierzu eine Hinterlegung erforderlich gemacht hat (§ 117 Abs. 2 Satz 3 ZVG), mit der Folge, dass sich die Bruchteilsgemeinschaft am versteigerten Grundbesitz nunmehr an der Forderung gegen die Hinterlegungsstelle fortsetzte (BGH, Beschluss vom 22. Februar 2017, aaO Rn. 25), nimmt dem Anspruch der Klägerin (aus § 749 Abs. 1, § 752 Satz 1 BGB; vgl. BGH, Beschluss vom 22. Februar 2017, aaO Rn. 30 f) auf Abgabe der erforderlichen Einwilligung in die Auszahlung des beim Amtsgericht hinterlegten Erlösanteils nicht den Charakter einer unmittelbar auf Erhalt des ihr zustehenden Erlösanteils gerichteten Forderung.

cc) Eine andere Beurteilung ist auch nicht deshalb gerechtfertigt, weil das Gesetz Regelungen zu Hinterlegungszinsen kennt. Soweit im Rahmen der Teilungsversteigerung das Bargebot vom Zuschlag an zu verzinsen war (§ 49 Abs. 2 ZVG), fließen die Zinsen in den anteilig zu verteilenden Übererlös, dessen Auskehr an die Klägerin gerade verzögert wurde. Soweit darüber hinaus zunächst in § 8 der Hinterlegungsordnung vom 10. März 1937 und nach deren Aufhebung durch Gesetz vom 23. November 2007 (BGBl. I S. 2614) in den Bundesländern Hessen, Saarland, Hamburg und Niedersachsen der hinterlegte Betrag verzinst wird, ist dies allein darin begründet, dass das hinterlegte Geld in das Eigentum des jeweiligen Landes übergeht. Eine Kompensation des Gläubigers, dem der Betrag während der Dauer der Hinterlegung vorenthalten bleibt, ist damit nicht angestrebt. Ob und inwieweit geleistete Hinterziehungszinsen auf den pauschalierten Schadensersatz des § 288 Abs. 1 BGB anzurechnen sein könnten, bedarf hier keiner Entscheidung, denn solche wurden nicht gezahlt (vgl. § 12 HinterlG NRW).

dd) Die für die analoge Anwendung des § 288 Abs. 1 BGB maßgeblichen Gesichtspunkte haben sich nicht dadurch geändert, dass der Gesetzgeber durch das am 1. Mai 2000 in Kraft getretene Gesetz zur Beschleunigung fälliger Zahlungen vom 30. März 2000 (BGBl. I S. 330), durch das zum 1. Januar 2002 in Kraft getretene Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts vom 26. November 2001 (BGBl. I S. 3138) und sodann durch das am 29. Juli 2014 in Kraft getretene Gesetz zur Bekämpfung von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr (BGBl. I S. 1218), mit dem die Richtlinie 2011/7/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Februar 2011 zur Bekämpfung von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr (ABl. L 48/1 vom 23. Februar 2011) umgesetzt wurde, den gesetzlichen Verzugszins erhöht hat. Zutreffend führt das Berufungsgericht aus, dass der Gesetzgeber bei keinem der genannten Gesetze die Frage der Anwendbarkeit von § 288 Abs. 1 BGB auf den Anspruch auf Freigabe hinterlegten Geldes in den Blick genommen hat (vgl. BT-Drucks. 14/1246, S. 4 f; BT-Drucks. 14/6040, S. 148; BT-Drucks. 18/1309, S. 19 f).

Entgegen der Auffassung der Revision hat sich der Gesetzeszweck nicht grundlegend dadurch gewandelt, dass durch eine Erhöhung der gesetzlichen Verzugszinsen die Zahlungsmoral verbessert werden sollte. Der aufgezeigte Regelungsgehalt des § 288 Abs. 1 BGB wird dadurch nicht in Frage gestellt. Seit jeher liegt der Sinn dieser Norm nicht nur in einer abstrakten Entschädigung des Gläubigers für die entbehrte Kapitalnutzung, sondern auch darin, den Schuldner zur alsbaldigen Erfüllung anzuhalten (BGH, Urteil vom 20. Mai 1985 - VII ZR 266/84, BGHZ 94, 330, 333). Bereits der historische Gesetzgeber hatte erkannt, dass der gesetzliche über dem marktüblichen Zins liegen müsse, zumal auch der Verzugsgläubiger zumeist selbst Schuldner sei und sich die Zinshöhe daher nicht allein an einem entgangenen Kapitalertrag orientieren dürfe (Protokolle, Mugdan II S. 509 f, 537).

ee) Die Auffassung der Revision, § 288 Abs. 1 BGB sei auf den Anspruch auf Freigabe eines hinterlegten Betrages nicht anwendbar, findet entgegen dem Revisionsvorbringen keine Stütze in anderen Entscheidungen des Bundesgerichtshofs.

Bereits in seinem Urteil vom 26. April 1979 (VII ZR 188/78, BGHZ 74, 231) hat der Bundesgerichtshof eine entsprechende Anwendung von § 288 Abs. 1 BGB bejaht (konkret für die Bezifferung des Schadens aus schuldhafter Nichtbeschaffung eines langfristigen zinslosen Darlehens) und zur Begründung - wie die Revision selbst einräumt - auf die Nutzungsmöglichkeiten, die Geld bietet und die nach allgemeiner Lebensauffassung einen Vorteil darstellen, der seinerseits Geldwert hat, verwiesen. Im Beschluss vom 15. September 2005 (III ZR 28/05, NJW 2005, 3709) hat der Bundesgerichtshof die Anwendbarkeit von § 288 Abs. 1 BGB auf einen auf die Herausgabe von Geld gerichteten Anspruch aus § 667 Alt. 2 BGB bejaht, obgleich es sich nicht um eine gewöhnliche Geldschuld handle. Er hat dies damit begründet, dass der Geldherausgabeanspruch nach § 667 Alt. 2 BGB bei der Aufrechnung wie eine "normale" Geldschuld behandelt werde, und damit, dass die Höhe des Verzugsschadens und damit das Bedürfnis nach dessen pauschalierter Berechnung nicht davon abhänge, ob der Schuldner die Mittel wirtschaftlich aus seinem eigenen Vermögen aufzubringen hat.

Soweit der Bundesgerichtshof in seinem Urteil vom 4. Mai 2005 (VIII ZR 94/90, NJW 2005, 2310) eine unmittelbare Anwendung von § 288 Abs. 1 BGB und im Urteil vom 5. Dezember 2012 (XII ZR 44/11, BGHZ 196, 1) auch eine analoge Anwendung von § 288 Abs. 1 BGB geprüft und jeweils verneint hat, liegen dem Sachverhaltskonstellationen zugrunde, die mit der vorliegenden nicht vergleichbar sind. So ist die Notwendigkeit, einen Zinsschaden bei verweigerter Zustimmung zu einem Mieterhöhungsverlangen konkret darlegen zu müssen und nicht auf § 288 BGB zurückgreifen zu können, Folge der gesetzgeberischen Entscheidung, nach der dem Vermieter ein Anspruch auf den erhöhten Mietzins nicht von Gesetzes wegen zusteht, sondern eine entsprechende Änderung des Mietvertrags voraussetzt, so dass der Vermieter den Mieter zunächst auf Zustimmung zu dieser Änderung in Anspruch nehmen muss und nicht sogleich Zahlung verlangen kann (BGH, Urteil vom 4. Mai 2005, aaO). Auch die Verpflichtung des Vermieters zur Erstellung einer Betriebskostenabrechnung ist nicht mit einem Anspruch vergleichbar, der unmittelbar darauf gerichtet ist, dem Gläubiger einen Geldbetrag zu verschaffen; vielmehr kann der Mieter von seinem Vermieter zunächst nur die Erstellung einer ordnungsgemäßen Betriebskostenabrechnung verlangen, während ein Rückerstattungsanspruch dem Mieter nur zusteht, soweit die geleisteten Nebenkostenvorauszahlungen durch die in dem betreffenden Abrechnungszeitraum tatsächlich angefallenen Nebenkosten nicht aufgezehrt sind (vgl. BGH, Urteil vom 5. Dezember 2012, aaO Rn. 24). Demgegenüber führt allein die Freigabe des hier hinterlegten Überschussbetrags aus einer Teilungsversteigerung durch den Beklagten dazu, einen der Höhe nach bereits bestimmten Geldzufluss bei der Klägerin zu bewirken, ohne dass es eines einer Vertragsänderung oder Abrechnung vergleichbaren Zwischenschritts bedürfte.

b) Die Höhe des der Klägerin zugesprochenen Betrages begegnet keinen revisionsrechtlichen Bedenken.

 

III.

Die Anschlussrevision der Klägerin ist zulässig, bleibt aber ebenfalls ohne Erfolg.

1. Trotz der nur zu Gunsten des Beklagten ergangenen Zulassungsentscheidung ist die Anschlussrevision statthaft (§ 554 Abs. 2 Satz 1 ZPO; vgl. BGH, Beschluss vom 23. Februar 2005 - II ZR 147/03, NJW-RR 2005, 651). Sie betrifft auch einen Lebenssachverhalt, der mit dem von der Revision erfassten Streitgegenstand in einem rechtlichen und wirtschaftlichen Zusammenhang steht (zu dieser Zulässigkeitsvoraussetzung vgl. BGH, Urteil vom 22. November 2007 - I ZR 74/05, BGHZ 174, 244 Rn. 36 ff).

2. Die Anschlussrevision ist unbegründet. Mit Recht hat das Berufungsgericht das Urteil des Amtsgerichts insoweit aufgehoben und die Klage abgewiesen, als gesetzliche Zinsen auf die vorgerichtlichen Anwaltskosten der Klägerin zuerkannt waren. Auf den von der Klägerin geltend gemachten Befreiungsanspruch findet § 288 Abs. 1 Satz 1 BGB weder unmittelbare noch entsprechende Anwendung (vgl. BGH, Urteil vom 29. Juni 1994 - IV ZR 229/93, NJW-RR 1994, 1302, 1303; OLG Stuttgart, Urteil vom 4. Oktober 2010 - 5 U 60/10, NJW-RR 2011, 239; Staudinger/Löwisch/Feldmann, aaO, § 288 Rn. 8; BeckOGK/Dornis, 2017, BGB § 288 Rn. 32; Palandt/Grüneberg, aaO, § 288 Rn. 6).

Es kann dahinstehen, unter welchen Voraussetzungen die Klägerin statt der Freistellung Zahlung an sich hätte verlangen können und ob § 288 Abs. 1 Satz 1 BGB in allen Fällen anzuwenden wäre, in denen ein nach §§ 280, 286 BGB begründeter Befreiungsanspruch in einen Zahlungsanspruch übergegangen ist. Anders als etwa in dem der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 9. Juli 2015 (I ZR 224/13, NJW-RR 2016, 155 Rn. 34) zugrundeliegenden Sachverhalt hat die Klägerin nicht auf Zahlung angetragen. Der Klageantrag, dessen Auslegung als Prozesshandlung vollen Umfangs der revisionsrechtlichen Nachprüfung unterliegt (vgl. BGH, Urteil vom 12. Dezember 2014 - V ZR 53/14, NJW-RR 2015, 583 Rn. 8; vom 18. Dezember 2015 - V ZR 160/14, NJW 2016, 863 Rn. 8; vom 4. Oktober 2007 - I ZR 143/04, NJW 2008, 1384 Rn. 11 je mwN; BeckOK-ZPO/Bacher, 2017, § 253 Rn. 58), richtet sich - wie das Berufungsgericht zutreffend gesehen hat - allein auf Freistellung von den vorgerichtlichen Anwaltskosten.